Gesamt- und Konzernbetriebsrat

Konstituierende Sitzung: Wer die Tagesordnung bestimmt

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Quelle: © Marco2811 / Foto Dollar Club

Der Vorsitzende eines Gesamtbetriebsrats ist nicht befugt, der Einladung zur konstituierenden Sitzung eines Konzernbetriebsrats schon Sachpunkte hinzuzufügen, über die das Gremium erst in einer weiteren Sitzung abstimmen könnte. Denn dazu ist allein die oder der neu gewählte Vorsitzende des Konzernbetriebsrats berechtigt – so das LAG Baden-Württemberg.

Das war der Fall

Eine Unternehmensgruppe (S-Gruppe) ist ein Anbieter von Prozess- und Verpackungstechnik. Sie unterhält zwei Betriebe W und C. Zur S-Gruppe gehören noch weitere 5 Tochterunternehmen. In allen Betrieben gibt es einen Betriebsrat. Im Oktober 2019 schloss die S-Gruppe mit der IG Metall ein Tarifvertrag ab, u.a. zur Bildung eines Gesamtbetriebsrats auf Konzernebene. Ein Gesamtbetriebsrat wurde daraufhin gebildet.

Am 30.5.2023 schloss die S-Gruppe mit diesem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung des Zeiterfassungssystems ATOSS ab. Der Betriebsrat von C hielt den Tarifvertrag jedoch nicht für wirksam und damit den Gesamtbetriebsrat für nicht existent. Das Gremium lud zu einer (neuen) konstituierenden Gesamtbetriebsratssitzung am 28.4.2023 ein. In der Sitzung wählten die dazu entsandten Mitglieder einen (neuen) Gesamtbetriebsratsvorsitzenden und beschlossen die Errichtung eines Konzernbetriebsrats (KBR).

Am 12.5.2023 fand die konstituierende Sitzung des KBR statt. Die Tagesordnung in der Einladung enthielt u.a. den Punkt „Beschlussfassung zu Verhandlungen der IT-Themen ATOSS, Anrufung Einigungsstelle und Anwaltsbeauftragung“. In der Sitzung wurde der amtierende Gesamtbetriebsratsvorsitzende auch zum Vorsitzenden des KBR gewählt. Das Gremium beschloss, ein Einigungsstellenverfahren einzuleiten und einen Anwalt zu beauftragen.

Der KBR beantragte beim Arbeitsgericht die Bestellung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Abschluss einer Konzernbetriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung des Zeiterfassungssystems ATOSS". Zur Begründung führte der KBR an, dass die Betriebsvereinbarung mit dem „vormaligen“ Gesamtbetriebsrat ja nicht wirksam wäre. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat den Antrag des KBR zurückgewiesen. Hiergegen legte der Konzernbetriebsrat Beschwerde beim LAG Baden-Württemberg ein.

Das sagt das Gericht

Die Beschwerde des KBR ist schon nicht zulässig. Zwar seien alle Beteiligten beteiligtenfähig, auch wenn sie über ihre rechtliche Existenz streiten, so das LAG Baden-Württemberg. Jedoch fehle es an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten des KBR zur Einleitung der Beschwerde, so das LAG. Denn diese setzt einen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss voraus.

Dafür ist erforderlich, dass die Betriebsratsmitglieder vom Vorsitzenden rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zur Betriebsratssitzung geladen wurden (§ 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Diese Grundsätze gelten auch für den KBR (§ 59 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Zwar hatte der KBR in seiner konstituierenden Sitzung am 12.5.2023 beschlossen, das Einigungsstellenverfahren zu den Themen ATOSS und Videoüberwachung einzuleiten und dazu einen Rechtsanwalt zu beauftragen.

Allerdings können Beschlussfassungen in der Sache nur in „normalen“ weiteren Betriebsratssitzungen (und nicht in konstituierenden Sitzungen) stattfinden. Zu einer solchen hätte der Vorsitzende des KBR einzuladen (§§ 59 Abs. 2 Satz 3, 29 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). In diesem Fall hatte der KBR-Vorsitzende allerdings noch in seiner Funktion als Gesamtbetriebsratsvorsitzender zu der Sitzung eingeladen.

Der Beschluss wurde auch nicht deshalb wirksam, weil in der Sitzung am 12.5.2023 der Tagesordnungspunkt ergänzt wurde und die Anwesenden darüber einstimmig beschlossen haben. Die Einladung vom 10.5.2023 war an die Delegierten des bisherigen Gesamtbetriebsrats adressiert. Richtigerweise hätte aber die Einladung an den Gesamtbetriebsrat und die Betriebsräte als Gremium insgesamt gerichtet werden müssen, da ja noch nicht alle (möglichen) Delegierten bekannt waren. Ohne ordnungsgemäße Ladung konnten die anwesenden Mitglieder somit auch einstimmig keine Erweiterung der Tagesordnung beschließen.

Hinweis für die Praxis

Es ist sicherer, inhaltliche Tagesordnungspunkte in einer „weiteren“ Betriebsratssitzung zu beschließen als in den konstituierenden Gesamt- und Konzernbetriebsratssitzungen zu ergänzen, da Einladende und Eingeladene in diesen Sitzungen nicht zwingend identisch sind.

© bund-verlag.de (kh)

Quelle

LAG Baden-Württemberg (11.09.2023)
Aktenzeichen 4 TaBV 4/23
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