Massenentlassung

Kündigung der Piloten von Air Berlin unwirksam

20. Februar 2020
Cockpit Flugzeug Pilot
Quelle: www.pixabay.com/de

Die Folgen der Insolvenz der Fluggesellschaft Air Berlin beschäftigen seit Jahren auch die Arbeitsgerichte. Jetzt zeigt sich, dass die Kündigungen der Piloten im November 2017 zumindest zum Teil unwirksam waren. Die Massenentlassungsanzeige habe sich auf den falschen Betrieb bezogen - so das Bundesarbeitgericht.

Darum geht es:

Die Fluggesellschaft Air Berlin unterhielt Stationen an mehreren Flughäfen. Diesen war Personal für die Bereiche Boden, Kabine und Cockpit zugeordnet. Bei Air Berlin bestanden nicht die üblichen Betriebsräte, sondern tarifvertraglich getrennt organisierte Vertretungen für das Boden-, Kabinen- und Cockpit-Personal (§ 117 Abs. 2 BetrVG). Im August 2017 meldete Air Berlin Insolvenz an. Das Verfahren wurde am 1. November 2017 eröffnet.

Der Kläger in diesem Verfahren war bei Air Berlin als Pilot mit dem Einsatzort Düsseldorf beschäftigt. Er erhielt, wie alle anderen Piloten, eine Kündigung wegen Stilllegung des Flugbetriebs zum Ende November 2017.

Air Berlin erstattete die Massenentlassungsanzeige an die Agentur für Arbeit für den angenommenen »Betrieb Cockpit«. Die Anzeige erfolgte bei der für den Sitz der Air Berlin zuständigen Agentur für Arbeit Berlin-Nord. Die Gesellschaft bezog sich damit auf das bundesweit beschäftigte Cockpit-Personal einschließlich der Piloten mit der Begründung, der Flugbetrieb werde zentral von Berlin aus gesteuert..

Im Kündigungsschutzprozess machte der Kläger geltend, es sei gar keine Stilllegungsentscheidung erfolgt. Der Flugbetrieb werde durch andere Fluggesellschaften (teilweise) fortgeführt. Damit sei die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft gewesen. Arbeits- und Landesarbeitsgericht haben seine Kündigungsschutzklage abgewiesen.

Stichwort: Massenentlassungsanzeige

Der Arbeitgeber muss die zuständige Agentur für Arbeit vorab informieren, wenn er in einem Betrieb eine bestimmte Anzahl von  Arbeitnehmern auf einmal oder innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen will (§ 17 Abs. 1 KSchG). Die sogenannte Massenentlassungsanzeige soll die schnelle Neuvermittlung der betroffenen Arbeitnehmer erleichtern.

Die Anzeigepflicht geht auf eine europarechtliche Vorgabe zurück, die der deutsche Gesetzgeber umgesetzt hat (Art. 3 der Richtlinie 98/59/EG - Massenentlassungsrichtlinie). Ein Unterbleiben der Anzeige oder falsche Angaben können dazu führen, dass die daraufhin ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen unwirksam sind.

Das sagt das Bundesarbeitsgericht (BAG)

Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte der Kläger Erfolg - das BAG erklärte seine Kündigung und diejenigen an sieben weitere Piloten für unwirksam.

Bezüglich der Kündigungen des Cockpit-Personals der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin bestand eine Anzeigepflicht (§ 17 KSchG). Der Begriff »Betrieb« in dieser Vorschrift ist allerdings nach den Vorgaben der europäischen Massenentlassungsrichtlinie (kurz MERL) auszulegen.

Nach diesem Betriebsbegriff handelte es sich bei allen Stationen der Air Berlin um Betriebe im Sinne dieser Norm. Folglich hätte die Massenentlassungsanzeige für die Piloten, die der Station Düsseldorf zugeordnet sind, bei der zuständigen Agentur für Arbeit in Düsseldorf erfolgen müssen.

Dort traten bei typisierender Betrachtung die Auswirkungen der Massenentlassung auf, denen durch eine frühzeitige Einschaltung der zuständigen Agentur für Arbeit entgegen getreten werden soll. Die Anzeige hätte sich zudem nicht auf Angaben zum Cockpit-Personal beschränken dürfen.

Die nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG zwingend erforderlichen Angaben hätten vielmehr auch das der Station zugeordnete Boden- und Kabinen-Personal erfassen müssen. Für den Betriebsbegriff der MERL ist ohne Belang, dass für diesen Beschäftigtengruppen in Tarifverträgen eine andere Vertretungsstrukturen vereinbart war.

Bei der Anzeige hatte das Unternehmen jedoch den maßgeblichen Betriebsbegriff der MERL verkannt und deswegen die Anzeige nicht für den richtigen Betrieb erstattet. Das hatte zur Folge, dass die Anzeige bei einer örtlich unzuständigen Agentur für Arbeit erfolgte und nicht die erforderlichen Angaben enthielt. Dies bewirkt die Unwirksamkeit der betroffenen Kündigungen.

Da die Kündigungen somit unwirksam waren und die Arbeitsverhältnisse fortbestehen, hat das BAG nicht mehr darüber entschieden, ob die Arbeitsverhältnisse durch einen einen Betriebs(teil-)übergang auf andere Fluggesellschaften übergegangen sein könnten.

Lesetipps:

 

 © bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (13.02.2020)
Aktenzeichen 6 AZR 146/19
BAG, Pressemitteilung vom 13.2.2020
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