Corona-Pandemie

Leiharbeiter unter Druck

17. August 2021
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Quelle: © photo 5000 / Foto Dollar Club

Die Pandemie trifft die Leiharbeitsbranche besonders hart: 275.000 Leiharbeiter meldeten sich in 2020 arbeitslos. Chronische Krankheiten sind häufig, Antidepressiva an der Tagesordnung. Und dennoch scheuen sich die Beschäftigten der Branche vor Krankschreibungen oder auch nur Corona-Tests - aus Angst um ihren Arbeitsplatz. Die Zustände sind katastrophal.

Dass es Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer in Krisenzeiten als erste trifft, hat die aktuelle Pandemie wieder gezeigt. Bei Airbus mussten in 2020 mehr als 1100 Leiharbeiter gehen, bei Daimler in Düsseldorf 1300, bei BMW sollen es sogar 10.000 gewesen sein (siehe Reuters). Das Unternehmen bestreitet die Zahl, sagt aber nichts Genaues. Den Konzernen scheint das Thema unangenehm zu sein. Die Zahlen von insgesamt 275.000 arbeitslos gemeldeten ehemaligen Leiharbeitnehmern hat die Bundesagentur für Arbeit so gemeldet. Die Leiharbeitsbranche erfährt damit den stärksten Einbruch seit Jahren.

Die Autoindustrie betrifft es deshalb besonders hart, weil sie gleich von zwei Großkrisen auf einmal bedroht ist: von der Pandemie und vom bevorstehenden Ende des Verbrennungsmotors, das schon vor Corona viele Leiharbeiter den Job gekostet hat.

Leiharbeiter scheuen Coronatests

Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Techniker Krankenkasse eine Studie zur gesundheitlichen Verfassung von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern. Danach leiden sie häufiger als andere Arbeitnehmer an Rücken- und Gelenkerkrankungen. Sie haben mehr Arbeitsunfälle. Und bekommen deutlich öfter Antidepressiva verordnet.

Corona habe die Situation verschlimmert. In Firmen, wo das Virus grassierte, hätten sich viele Stammwerker krankschreiben lassen, aus Angst, sich anzustecken. Die Leiharbeiter hingegen seien zur Schicht angetreten. Einige Werke berichten sogar, dass sich Leiharbeiter teilweise geweigert hätten, sich auf Corona testen zu lassen. Sie befürchteten, bei einem positiven Ergebnis nicht nur in Quarantäne geschickt, sondern auch abgemeldet zu werden.

Warum Leiharbeit nur in der Fleischindustrie verboten ist

Leiharbeit soll Betrieben die Flexibilität geben, kurzfristig Personal aufzustocken. Eine Verleihfirma stellt dafür den Betrieben Personal – eben sogenannte Leiharbeitnehmer – zur Verfügung. Diese sind bei der Verleihfirma angestellt, von der sie auch ihren Lohn erhalten. Die maximale Überlassungsdauer beträgt 18 Monate, ab neun Monaten gilt „equal pay“ (gleicher Lohn wie die Stammbelegschaft“). Doch trotz dieser gesetzlichen Schutzregelungen sind die Zustände der Leiharbeitnehmer teilweise verheerend. Mehr zum Leiharbeitsrecht finden Sie im Beitrag  »7 Fragen zum neuen Leiharbeitsgesetz«.

Zwar wurde ein Gesetz verabschiedet, das Leiharbeit in Schlachthöfen verbieten soll, um die gravierenden – teilweise durch die Pandemie verstärkt sichtbar gewordenen - Missstände in dieser Branche einzudämmen. In anderen Branchen allerdings sieht man derzeit wohl keinen Handlungsbedarf. Fragt man den Arbeitsminister, warum das so ist, antwortet er (so DIE ZEIT): „Anderswo (als in der Fleischindustrie) sehe man dazu keinen Bedarf, der Schutz der Leiharbeiter sei dort bereits »verbessert worden“.

Quelle:

DIE ZEIT 33/2021 vom 12.8.2021: Caterina Lobenstein „Wenn du Pause hast, arbeite durch“.

© bund-verlag.de (fro)

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