Mindestlohn für umfassende häusliche Pflege

Darum geht es
Die Arbeitnehmerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie wurde auf Vermittlung einer deutschen Agentur, die mit dem Angebot »24 Stunden Pflege zu Hause« wirbt, von ihrem in Bulgarien ansässigen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt, um eine hilfsbedürftige 96-jährige Dame zu betreuen.
Im Arbeitsvertrag der Pflegerin war eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart. In dem Betreuungsvertrag mit der zu versorgenden Dame waren eine umfassende Betreuung mit Körperpflege, Hilfe beim Essen, Führen des Haushalts und Gesellschaftleisten und ein Betreuungsentgelt für 30 Stunden wöchentlich vereinbart. Die Pflegerin war gehalten, in der Wohnung der zu betreuenden Dame zu wohnen und zu übernachten.
Die Arbeitnehmerin verlangte später eine zusätzliche Vergütung für 24 Stunden täglich für mehrere Monate. Sie sei in dieser Zeit von 6.00 Uhr morgens bis etwa 22.00/23.00 Uhr im Einsatz gewesen und habe sich auch nachts bereithalten müssen, falls sie benötigt werde. Sie verlangt deshalb für die gesamte Zeit den Mindestlohn. Ihr Arbeitgeber bestritt die behaupteten Arbeitszeiten und berief sich auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden.
Das sagt das Gericht
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klägerin den geforderten Mindestlohn bei einer täglichen Arbeitszeit von 21 Stunden zugesprochen.
Das LAG ist der Auffassung, es sei treuwidrig, dass sich der Arbeitgeber auf die vereinbarte Begrenzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden beruft, wenn er der Patientin andererseits eine umfassende Betreuung zugesagt habe und die Verantwortung sowohl für die Betreuung als auch die Einhaltung der Arbeitszeit der Arbeitnehmerin überlässt.
Es sei Aufgabe des Arbeitgebers, die Einhaltung von Arbeitszeiten zu organisieren, was hier nicht geschehen sei. Die angesetzte Zeit von 30 Stunden wöchentlich sei für die zugesagten Leistungen im vorliegenden Fall unrealistisch.
Die zuerkannte vergütungspflichtige Zeit ergebe sich daraus, dass neben der geleisteten Arbeitszeit für die Nacht von vergütungspflichtigem Bereitschaftsdienst auszugehen sei. Da es der Klägerin jedoch zumutbar gewesen sei, sich in einem begrenzten Umfang von geschätzt drei Stunden täglich den Anforderungen zu entziehen, sei eine vergütungspflichtige Arbeitszeit von täglich 21 Stunden anzunehmen.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
© bund-verlag.de (ck)
Quelle
Aktenzeichen 21 Sa 1900/19
LAG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung Nr. 20/20 vom 17.08.2020