Mitbestimmung bei ärztlichen Attesten

Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verlangt im Fall einer Krankheit erst ab dem vierten Tag ein ärztliches Attest (§ 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG). Der Arbeitgeber kann dennoch die Vorlage auch am ersten Tag verlangen. Es fragt sich, wie es mit der Mitbestimmung aussieht.
Das war der Fall
Der Arbeitgeber eines großen Unternehmens für Krankenhausdienstleistungen führt eine neue Regelung ein, wonach die Beschäftigten nach Abstimmung zwischen Vorgesetztem und Personalleiter bereits am ersten Krankheitstag ein Attest vorbringen müssten.
Der Betriebsrat fordert Unterlassung der Umsetzung dieser Regelung, da seine Mitbestimmungsrechte verletzt seien.
Das sagt das Gericht
Es gibt dem Betriebsrat hier nicht recht, er kann keine Unterlassung verlangen.
Zwar sei es richtig, dass die Pflicht zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen am ersten Krankheitstag das Ordnungsverhalten im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betreffe. Damit greife eigentlich ein Mitbestimmungsrecht. Allerdings fehlt es hier nach Meinung des Gerichts am nötigen kollektiven Tatbestand.
Einen kollektiven Tatbestand im Zusammenhang mit Attestauflagen hat die Rechtsprechung angenommen zu Sachverhalten,
- wo der Arbeitgeber allgemein und grundsätzlich gegenüber allen Beschäftigten eine vorzeitige Attestpflicht angeordnet hatte (BAG - 25.1. 2000 - 1 ABR 3/99)
- oder die Attestauflage die eingetretene Verletzung der gesetzlichen Verpflichtung zur Vorlage des ärztlichen Attestes am vierten Tag seit Beginn der erkrankungsbedingten Arbeitsunfähigkeit sanktionierte.
Da hier nur relativ wenige Beschäftigte von der Attestpflicht am ersten Krankheitstag betroffen seien, fehle es am kollektiven Tatbestand. Ein Mitbestimmungsrecht sei nicht gegeben.
Das muss der Betriebsrat wissen
Ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht geltend machen kann, wenn der Arbeitgeber ein Attest ab dem ersten Tag verlangt, hängt davon ab, ob es sich um eine Verhaltensanordnung für mehrere Arbeitnehmer oder um einen konkreten Einzelfall handelt. Dabei scheint es durchaus um Prozentzahlen zu gehen, denn hier meint das Gericht, „weniger als 2 %“ reichten für einen kollektiven Tatbestand nicht aus. Das ist schon etwas bedenklich.
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Quelle
Aktenzeichen 12 TaBV 74/21