Agile Arbeit

Mitbestimmung bei agiler Arbeit

24. Januar 2023
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Quelle: © Kzenon / Foto Dollar Club

Vergibt der Arbeitgeber intern Aufträge an so genannte agile Teams, die ihre Arbeit nach dem Scrum-Prinzip selbst organisieren, kann dies als Gruppenarbeit mitbestimmungspflichtig sein (§ 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG) – so das Arbeitsgericht Bonn.

Darum geht es

Ein Großunternehmen lässt seit mehreren Jahren Projekte im Rahmen von so genannten agilen Scrum-Teams bearbeiten. Dabei bedeutet „agiles Arbeiten“, dass eine Gruppe oder ein Team weitgehend eigenverantwortlich Zeit und Ressourcen für ein bestimmtes Projektziel organisiert. „Scrum“ beschreibt das Vorgehen, wie ein Team aus prinzipiell gleichrangigen Fachleuten seine Arbeit organisiert. Beide Prinzipien stammen aus der Arbeitspraxis von Software-Entwicklern, lassen sich aber auch auf andere Tätigkeitsfelder übertragen.

Der Gesamtbetriebsrat meint, dieses Vorgehen sei mitbestimmungspflichtig, da es sich um eine Art von Gruppenarbeit handelt (§ 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG). Bei Einführung der agilen Methoden wurde zunächst eine Pilot-Gesamtbetriebsvereinbarung geschlossen. Allerdings konnten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nach deren Ablauf nicht auf eine Anschlussregelung verständigen.

Das Unternehmen setzte seine die Praxis fort, Aufgaben an agile Projektteams zuzuweisen. Der Gesamtbetriebsrat beantragte bei Gericht, dem Arbeitgeber aufzugeben, die weitere Durchführung von agiler Gruppenarbeit zu unterlassen, bis eine Betriebsvereinbarung geschlossen werden kann.

Das sagt das Gericht

Das Arbeitsgericht (ArbG) gab den Anträgen des Gesamtbetriebsrats überwiegend statt. Insbesondere habe das Gremium detailliert dargelegt, warum seine Mitbestimmungsrechte betroffen seien. Ob ein Arbeitsauftrag die Voraussetzungen von in diesem Fall teilautonomer Gruppenarbeit erfülle (§ 87 Abs.  Nr. 13 BetrVG), hänge von der kon­kre­ten Ar­beits­wei­se der ein­zel­nen Grup­pen ab­.

Ei­ne Grup­pen­ar­beit im Sin­ne die­ser Norm liegt im­mer dann vor, wenn ei­ne Grup­pe von Ar­beit­neh­mern im Rah­men des be­trieb­li­chen Ar­beits­pro­zes­ses ei­ne ih­nen über­tra­ge­ne Ge­samt­auf­ga­be im We­sent­li­chen ei­gen­ver­ant­wort­lich wahr­nimmt. Dies hat das Gerichts mit Blick auf den Sachvortrag des Betriebsrats im vorliegenden Fall bestätigt.

Bedeutung für die Praxis

Die Arbeit in so genannten eigenverantwortlichen Teams, nach agilen Methoden, dem Scrum-Prinzip oder anderen Organisationsmethoden, nimmt in vielen Unternehmen zu. Dabei wird oft tief in bisherige Arbeitsabläufe oder auch die Hierarchien der betroffenen Betriebe oder Unternehmen eingegriffen.

Hier sollten die Betriebsräte beteiligt sein und im Rahmen ihrer Mitbestimmungsrechte darauf pochen, dass es klare Regeln und Absicherungen gibt, damit einerseits die Zusammenarbeit funktioniert und andererseits Probleme, die das Management lösen müsste, nicht bei den Beschäftigten „abgeladen“ werden.

Der Betriebsrat, der ein Mitbestimmungsrecht durchsetzen will, muss konkrete Anhaltspunkte für dieses Mitbestimmungsrecht nennen, z. B. anhand der näheren Ausgestaltung der Arbeitsaufträge an die Projektteams. Denn – auch das betont das ArbG, ein bloß allgemeiner Antrag des Betriebsrats, dem Arbeitgeber agile Arbeiten ohne Mitbestimmung des Betriebsrats zu untersagen, wäre als Globalantrag unbegründet.

Lesetipp zur agilen Arbeit:

»New Work - Folgen für die Arbeit des Betriebsrats« in Arbeitsrecht im Betrieb 3/2022, Seiten 10 bis 20

 

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

ArbG Bonn (06.10.2022)
Aktenzeichen 3 BV 116/21
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