Mutterschutz

Mutterschutzlohn: Bei variabler Vergütung zählt das ganze Jahr

13. Oktober 2023
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Quelle: contrastwerkstatt_Dollarphotoclub

Mehr Gerechtigkeit beim Mutterschutzlohn und beim Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld: Haben Frauen ein saisonal stark schwankendes Ein­kommen, dann kann zur Berechnung statt der üblichen drei Monate auch ein Zeitraum von zwölf Monaten herange­zogen werden, so das Bundesarbeitsgericht.

Die Arbeitnehmerin − eine Flugbegleiterin − und die Arbeitgeberin − die Fluggesellschaft − stritten über die Höhe des Mutterschutzlohns und über die Höhe des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld in der Zeit, als die Arbeitnehmerin wegen eines Beschäftigungsverbots nicht die Arbeit erbracht hat.

Die Arbeitnehmerin erhielt nach dem »Tarifvertrag Saisonalitätsmodelle Kabine Nr. 2« neben ihrer Grundvergütung Mehrflugstundenvergütungen und Bordverkaufsprovisionen als variable Entgeltbestandteile. Ihr Baby kam Ende Februar auf die Welt. Für den Mutterschutzlohn legte das Flugunternehmen die durchschnittliche variable Vergütung aus dem Referenzzeitraum Februar bis April 2019 zugrunde und hat diesen um den Teilzeitfaktor in Höhe von 83% gekürzt.

Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, dass bei der Berechnung des Mutterschutzlohns ein längerer als der gesetzlich vorgesehene dreimonatige Referenzzeitraum nach § 18 Satz 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) heranzuziehen sei: Ihre variable Vergütung über das Jahr schwanke saisonbedingt stark – sie erhalte in den Monaten Februar bis April über einen unzumutbar langen Zeitraum Mutterschutzlohn auf niedrigstem Gehaltsniveau. Vor und nach der Geburt bestand ein Beschäftigungsverbot.

Das sagt das Gericht

Das Bundesarbeitsgericht hat der Arbeitnehmerin weitgehend recht gegeben. Bei der Berechnung des Mutterschutzlohns ist unter Berücksichtigung eines tariflichen Jahresarbeitszeitmodells mit saisonal ungewöhnlich stark schwankender variabler Vergütung auf einen maßgeblichen Zeitraum (genannt Referenzzeitraum) von zwölf Monaten abzustellen, weil jede andere Berechnungsart zu einer erheblichen Verzerrung des Mutterschutzlohnes führen würde.

Entsprechendes gilt auch für den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, der auf derr gleichen Berechnung beruht. Nach der gesetzlichen Regelung ist es so, dass als Mutterschutzlohn das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft gezahlt wird. Nach dieser Regelung – wörtlich genommen − wäre daher die Abrechnung des Arbeitgebers nicht zu beanstanden gewesen. § 18 Satz 2 MuSchG ist jedoch in einem Fall wie diesem nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts dahingehend auszulegen, dass für die Berechnung ein Referenzzeitraum von zwölf Monaten zugrunde zu legen ist. Dieser Zeitraum ist wegen des tariflichen Jahresarbeitszeitmodells mit saisonal ungewöhnlich stark schwankender variabler Vergütung erforderlich, um das »durchschnittliche Arbeitsentgelt« gemäß § 18 Satz 2 MuSchG zu ermitteln.

Hinweis für die Praxis

Nach § 18 Satz 1 MuSchG erhält eine Arbeitnehmerin, die wegen eines Beschäftigungsverbots außerhalb der Schutzfristen vor oder nach der Entbindung teilweise oder gar nicht beschäftigt werden darf, vom Arbeitgeber Mutterschutzlohn. Die Pflicht der Arbeitnehmerin zur Arbeitsleistung wird durch das Beschäftigungsverbot aufgehoben, das nach Maßgabe des § 18 Satz 1 MuSchG über die Vergütungspflicht des Arbeitgebers bestimmt.

Der Anspruch auf Mutterschutzlohn besteht allerdings nur, wenn allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, dass die Betroffene die Arbeit nicht erbringt. Es ist daher in der Praxis bei der Frage des Entstehens des Anspruchs stets maßgeblich darauf abzustellen, ob die Arbeit wegen eines Beschäftigungsverbots nicht erbracht werden kann oder möglicherweise aus anderen Gründen wie z.B. einer Erkranung.

Für die Bestimmung der Höhe des Mutterschutzlohns stellt § 18 MuSchG auf einen dreimonatigen Referenzzeitraum ab. Damit gibt der Gesetzgeber eine festen zeitlichen Rahmen vor, der grundsätzlich auch bei schwankender Vergütungshöhe maßgeblich sein soll. Allerdings ist nach der Regelung auch ein »durchschnittliches Arbeitsentgelt« zu berechnen und als Mutterschutzlohn zu zahlen.

Deshalb ist in besonders gelagerten Situationen und bei Arbeitszeitmodelle, die zu einer stark schwankenden variablen Vergütung in den einzelnen Monaten führen, ein nur dreimonatiger Referenzzeitraum nicht sachgerecht, weil dieser zu sehr unterschiedlichen finanziellenn Ergebnissen führen könnte. In diesen Fällen ist ausnahmsweise eine Anpassung des Referenzzeitraums auf zwölf Monate vorzunehmen. Diese Grundsätze der 12-monatigen Betrachtungsweise werden aber nur dann heranzuziehen sein, wenn im Lauf eines Jahres ganz erhebliche Unterschiede bei der monatlichen Arbeitszeit auftreten sollten, so wie etwa bei einer Flugbegleiterin im Charterbetrieb, die in den Sommermonaten wesentlich mehr Stunden arbeitet als in den Wintermonaten.

Dr. Ewald Helml, Direktor des Arbeitsgerichts Rosenheim a.D.

Quelle

BAG (31.05.2023)
Aktenzeichen 5 AZR 305/22
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