Arbeitsverhältnis

Neuer Vertrag durch Arbeitsaufnahme

29. Januar 2019
Händeschütteln_52973324
Quelle: © eyeQ / Foto Dollar Club

Wechselt ein Beschäftigter zwischen zwei Konzernunternehmen, kann sein Arbeitsvertrag auch ohne Schriftliches zustande kommen. Es genügt, dass er seine Arbeit aufnimmt und der neue Arbeitgeber die Leistung annimmt. Auch eine tarifliche Schriftformklausel steht dem nicht entgegen. Von Bettina Krämer.

Ein Arbeitnehmer arbeitete bei einem Konzernunternehmen. Die Schließung des dortigen Standortes sollte bald erfolgen. Der Arbeitnehmer suchte daher eine wohnortnahe Beschäftigung in einem anderen Unternehmen des Konzerns. Eine zum Konzern gehörende Firma übersandte dem Arbeitnehmer dazu diverse Willkommensinformationen. Der zukünftige Vorgesetzte erklärte dem Arbeitnehmer, dass dieser am 01.06.2016 dort anfangen werde und zu ihnen wechseln könne.

Der Arbeitnehmer bestätigte auf einem von der Firma gefertigten Vordruck, dass er mit Tätigkeit und Bezahlung einverstanden ist. Zum Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages kam es nicht. Er nahm seine Arbeit bei der Firma auf und wurde vertragsgerecht vergütet. Im September 2016 wurde ihm mitgeteilt, dass ein Fehler vorliege: Der alte Arbeitgeber habe den Arbeitnehmer und weitere Mitarbeiter an die Firma im Wege der Arbeitnehmerüberlassung verliehen. Ein Arbeitsverhältnis zur Firma bestehe daher nicht.

Der Arbeitnehmer war der Ansicht, dass er im Juni 2016 einen Arbeitsvertrag mit der konzernangehörigen Firma begründet hatte und nicht nur ausgeliehen worden war. Er klagte auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses und gewann in beiden Instanzen.

Wechsel im Konzern ist keine Leiharbeit

Ein interessanter Fall. Ein Arbeitnehmer wechselte zwischen zwei Unternehmen des gleichen Konzerns. Der (neue) Arbeitgeber behauptet nachträglich, dass der Mitarbeiter nur innerhalb des Konzerns ausgeliehen worden war. Zudem war der Vorgesetzte, der dem Arbeitnehmer den Arbeitsbeginn und die Konditionen mitgeteilt hatte, wohl nicht befugt, Personal einzustellen. Die Rechtsfolge wäre, dass kein Arbeitsvertrag mit dem neuen Arbeitgeber bestünde. Allerdings entschied das Landesarbeitsgericht (LAG), ein Arbeitsvertrag mit dem neuen Arbeitgeber sei anderweitig wirksam zustande gekommen.

Vertragsschluss durch konkludentes Angebot

Ein Arbeitsvertrag liegt immer dann vor, wenn es ein Angebot und eine Annahme gibt. Aufgrund des »Wechselangebots« durch den nicht befugten Vorgesetzten des neuen Arbeitgebers war wohl kein Vertrag zustande gekommen. Aber es lagen keinerlei Anhaltspunkte für den Arbeitnehmer vor, dass Arbeitnehmerüberlassung beabsichtigt war. Aus diesem Grund hat das Gericht angenommen, dass der Arbeitnehmer mit Aufnahme der Arbeit zu den neuen Arbeitsvertragsbedingungen ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages abgegeben hat.

Dieses Angebot nahm der neue Arbeitgeber durch Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb und widerspruchsloses »Arbeiten lassen« konkludent an. Damit lag im vorliegenden Fall ein Arbeitsvertrag durch tatsächliches Handeln vor.

Schriftformklausel nicht maßgeblich

Daran ändert auch die in diesem Fall vorgeschriebene Schriftform für Arbeitsverträge nichts: Der einschlägige Manteltarifvertrag bestimmte in § 5 MTV, dass Abschluss und Änderung des Arbeitsvertrags der Schriftform bedürfen. Der neue Arbeitgeber war der Ansicht, damit sei klar, dass es mangels eines schriftlichen Arbeitsvertrags kein wirksames Arbeitsverhältnis gebe.

Diese Schriftformklausel ist- so das Gericht zu Recht- nicht ausschlaggebend: Der Arbeitsvertrag könne auch ohne Einhaltung der Schriftform wirksam zustande kommen. Die Tarifparteien wollten mit der Regelung wohl nicht die Rechtsfolge der Unwirksamkeit herbeiführen, wenn die Schriftform nicht eingehalten wurde.

Praxistipp:

Vorliegend ging es um die Frage, ob ein Arbeitsvertrag wirksam abgeschlossen wurde. Hierbei muss beachtet werden, dass auch konkludentes Verhalten eine Willenserklärung sein kann und damit Rechtsfolgen auslöst. So kann nicht nur ein Arbeitsvertrag begründet werden. Wird nach einer Kündigung der Arbeitnehmer über den Kündigungszeitpunkt hinaus weiter beschäftigt, kann trotz der Kündigung für die Zukunft ein (neuer) Arbeitsvertrag bestehen.

Vorgehen bei Leiharbeit im Konzern

In diesem Verfahren hatte der neue Arbeitgeber sich darauf berufen, es liege kein Arbeitsverhältnis mit ihm vor, sondern nur eine Arbeitnehmerüberlassung innerhalb des Konzerns. In Konzernunternehmen stellt sich für den Betriebsrat manchmal die Frage, ob er einer Überlassung zustimmen soll oder nicht. Schlussendlich muss das Gremium dies für den Einzelfall entscheiden. Der Betriebsrat kann im Rahmen seiner Mitbestimmungsrechte gegen eine Überlassung vorgehen. 

Zunächst sollte der Betriebsrat sorgfältig prüfen, ob er vom Arbeitgeber über den beabsichtigten Einsatz des Leiharbeitnehmers vollständig unterrichtet worden ist. Denn fehlt es an der vollständigen Unterrichtung, braucht der Betriebsrat seine Zustimmung nicht erteilen. Er sollte aber in einem solchen Fall den Arbeitgeber darauf hinweisen, dass ihm Informationen fehlen.

Wurde der Betriebsrat vollständig informiert, kann er seine Zustimmung aus anderen Gründen verweigern. In Betracht kommen u.a.

    •  § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG, Verstoß gegen Pflicht zur innerbetrieblichen Ausschreibung des Arbeitsplatzes
    • § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG i.V. m. § 164 SGB IX, Arbeitgeber hat nicht geprüft, ob der Arbeitsplatz mit einem Schwerbehinderten besetzt werden kann
    • es gibt im Betrieb Teilzeitkräfte, die ihre Arbeitszeit aufstocken wollen, vgl. § 9 TzBfG
    • es besteht die Gefahr der Kündigung oder Versetzung eines Stammarbeitnehmers.

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Schlewsig-Holstein (07.08.2018)
Aktenzeichen 1 Sa 23/18
Diese Entscheidungsbesprechung erhalten Sie als Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 30.1.2019.
AiB-Banner Viertel Quadratisch - Anzeige -
Beate Schwartau
Aufgaben und Rechte für neu- und wiedergewählte Mitglieder
19,90 €
Mehr Infos

Das könnte Sie auch interessieren