Mitbestimmung

Ohne Betriebsrat keine Versetzung

03. Juli 2019
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Quelle: © Coloures-pic / Foto Dollar Club

Der Betriebsrat muss der Versetzung von Arbeitnehmern vorab zustimmen. Ohne Zustimmung ist die personelle Maßnahme unwirksam. Der Arbeitgeber kann die fehlende Zustimmung vom Arbeitsgericht ersetzen lassen, sie aber nicht umgehen. Von Jens Pfanne.

Eine herausfordernde Arbeit mit netten Kollegen - das wünschte sich ein Arbeitnehmer von seiner Stelle, als er den Arbeitsvertrag unterschrieb. Jedoch sollte nach gut fünf Jahren damit Schluss sein. Von der Arbeit als Maschinenbediener in der Abteilung Zerspanung sollte er auf Anweisung des Arbeitgebers zur Oberflächenbehandlung wechseln. Damit war er nicht einverstanden und konnte diese Entscheidung nicht so recht nachvollziehen, zumal er sich auch nichts hatte zu Schulden kommen lassen.

Zwar wurde ursprünglich vertraglich geregelt, dass er auch zu Arbeiten in anderen Abteilungen verpflichtet ist, wenn diese seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen und ihm insgesamt zumutbar sind. Er hatte bislang ausschließlich CNC-Maschinen bedient (Computerized Numerical Control – Maschinen zur computergesteuerten Präzisionsfertigung). Zukünftig sollte er rein mechanische Produktionsmaschinen bedienen. Diese Versetzung an einen Arbeitsplatz ohne jeden Anspruch an seine Fähigkeiten wollte der erfahrene Arbeitnehmer so nicht hinnehmen. Im Übrigen hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor der personellen Maßnahmen nicht ordnungsgemäß beteiligt.

Versetzung im Sinne des BetrVG

Zunächst stellte das Gericht fest, dass es sich bei der Anweisung des Arbeitgebers zum Wechsel in die andere Abteilung um eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG handelt. Er hat dem klagenden Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz für eine längere Zeit als einen Monat zugewiesen. Durch diese Maßnahme änderte sich die Beziehung seiner Tätigkeit zur bisherigen betrieblichen Umgebung nach dem Ort, der Art und dem Umfang.

Betriebsrat ist zu beteiligen

Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor der Versetzung des Arbeitnehmers nicht um Zustimmung gebeten. Da der Arbeitgeber die Rechte des Betriebsrats verletzt hat, war die die Versetzung rechtswidrig erfolgt und wurde durch das Gericht für unwirksam erklärt.

Der Arbeitgeber konnte im Verfahren vor dem Arbeitsgericht nicht nachweisen, dass er den Betriebsrat vor der Versetzung ordnungsgemäß unterrichtet hat. Dazu ist er nach § 99 Abs. 1 BetrVG verpflichtet.

Zustimmen oder nicht

Hätte der Arbeitgeber seine gesetzlichen Pflichten ernst genommen und dem Betriebsrat alle notwendigen Unterlagen und Informationen rechtzeitig übermittelt, bleibt den Arbeitnehmervertretern 1 Woche Zeit. In dieser Frist ist dem Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen, dass die Zustimmung verweigert wird und die Gründe für die Entscheidung zu nennen. Dabei ist darauf zu achten, sich streng an dem Katalog des § 99 Abs. 2 BetrVG zu orientieren. Die Gründe für die Zustimmungsverweigerung sind dort abschließend aufgezählt. Je ausführlicher, desto besser – ein bloßer Verweis auf die Norm im Gesetz oder den Gesetzestext abzuschreiben reicht nicht. In vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Formularen kann der Platz extra knapp bemessen sein. Besser ist es, nach Rücksprache mit der Gewerkschaft ein eigenes Schreiben aufsetzten.

Hat der Betriebsrat seinen Entschluss nicht innerhalb von einer Woche dem Arbeitgeber mitgeteilt oder nicht ausreichend begründet, gilt seine Zustimmung als erteilt. Dann kann der betroffenen Arbeitnehmer die fehlende Zustimmung für sich in einem Prozess nicht mehr nutzen.

Gericht kann Zustimmung des Betriebsrats ersetzen

Hat der Betriebsrat hingegen die Zustimmung verweigert, kann der Arbeitgeber entweder seine Versetzungspläne „abschreiben“ oder die Zustimmung des Betriebsrats im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht ersetzen lassen. Hält der Arbeitgeber ungerührt an der rechtswidrigen Versetzung fest, kann der Betriebsrat seinerseits vor dem Arbeitsgericht erzwingen, die Maßnahme zu unterlassen (§ 23 Abs. 3 BetrVG) – auch im Wege der einstweiligen Verfügung.

In der Praxis sehen Arbeitgeber Versetzungen durch Klauseln im Arbeitsvertrag im Rahmen des ihnen zustehenden Direktionsrechts gerechtfertigt. Dies führt regelmäßig zu kurzfristigen Mitteilungen an die betroffenen Arbeitnehmer über den neuen Einsatzort. Der Betriebsrat wird dabei gerne übergangen. In diesen Fällen kann der Betriebsrat die Verletzung seiner Rechte beim Arbeitsgericht geltend machen und gleichzeitig der Arbeitnehmer gegen die Versetzung zu klagen. Hier ist in der Regel Eile geboten, da die Versetzung oft unzumutbare Härten nach sich ziehen.

Interessenabwägung

Zusätzlich zu der zwingenden Beteiligung des Betriebsrats muss der Arbeitgeber bei der geplanten Versetzung die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers ausreichend berücksichtigen. Die einseitige Anweisung für eine Versetzung darf er nur nach „billigem Ermessen“ treffen. Danach darf seine Entscheidung nicht willkürlich sein, sondern muss einen sachlichen Grund haben. Auch muss die Versetzung für den Arbeitnehmer zumutbar sein. Ob das Interesse des Beschäftigten überwiegt, hängt von unterschiedlichen Faktoren im Einzelfall ab. Eine Rolle spielen dabei u. a. eine festgestellte Behinderung sowie familiäre Verpflichtungen insbesondere bei der Betreuung von Kindern.

Jens Pfanne, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

ArbG Freiburg (17.01.2019)
Aktenzeichen 15 Ca 112/18
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 3.7.2019.
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