Arbeitsschutzaufsicht

Unhaltbare Zustände bei Gabelstaplern und Kränen

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Quelle: lichtmensch_Dollarphotoclub

80% der Betriebe verstoßen beim Einsatz von Gabelstaplern und Kränen gegen Arbeitsschutz-Auflagen – so das Ergebnis von Kontrollen der Arbeitsschutzaufsicht NRW. Anja Weber, Vorsitzende des DGB-Bezirks NRW, fordert im Interview mit der Zeitschrift »Gute Arbeit« (GA) 3/2018 mehr Personal für die Aufsicht und systematische Kontrollen.

Eine Woche lang haben Beamtinnen und Beamte im letzten Jahr in weit über 300 mittleren Betriebe (bis 100 Beschäftigte) die Gabelstapler und Krane inspiziert. Die vorbildliche Schwerpunktaktion galt Unternehmen der Bereiche Logistik, Transport, Baugewerbe und Metallverarbeitung.

Dort sind beim Transport von Lasten sicherheitstechnisch gefährliche Systeme im Einsatz: Hallenkrane und Anschlagmittel wie Ketten, Seile und Hebebänder sowie Stapler sind laut Statistik »besonders unfallträchtig«: Durchschnittlich sterben jedes Jahr nur in NRW fünf Menschen bei Arbeitsunfällen mit diesen Arbeitsmitteln. Auch die Zahl der meldepflichtigen Unfälle ist hoch - mit jährlich über 2500 allein in NRW.

Entsetzte Inspektoren legen Krane und Stapler still

Die Inspektoren waren verhalten optimistisch, aber dann vom Umfang und der Qualität der Verstöße entsetzt. In vier von fünf Betrieben (80%) gab es erhebliche Defizite. In jedem dritten Betrieb gab es sogar schwerwiegende Mängel. 183 Stapler und Krane zogen die Kontrolleure sofort aus dem Verkehr.

Der Beitrag zu dieser Kontrollaktion von Klaus Heimann in »Gute Arbeit« belegt zweierlei: Kontrollen sind nötig, mehr Personal für die Aufsicht auch. Das Interview mit Anja Weber, der DGB-Vorsitzenden in NRW, thematisiert den Aderlass beim Kontrollpersonal in den Aufsichtsbehörden. Ein zweiter Beitrag zum Thema von Dr. Uwe Lenhardt spürt der bundesweiten Personalentwicklung in den Arbeitsschutzverwaltungen nach. Ergebnis: Angesichts der personellen Auszehrung sei es fraglich, ab die staatliche Aufsicht ihre Überwachungsaufgaben überhaupt noch erfüllen können.

Beide Artikel in der Fachzeitschrift »Gute Arbeit« 3/2017 lesen (Seiten 20-24). Hier als Service das Interview mit Anja Weber:

»Ein systematischer Wiederaufbau ist nötig«

Seit Dezember 2017 ist Anja Weber Vorsitzende des DGB-Bezirks NRW. Im Interview mit »Gute Arbeit« zur Lage der staatlichen Arbeitsschutzaufsicht findet sie deutliche Worte: Die Arbeitsschutzverwaltung in NRW sei katastrophal unterbesetzt.

Hat Sie das Ausmaß der ermittelten Verstöße bei der Überwachungsaktion zu den Gabelstaplern und Kranen überrascht?

Das ist eine Katastrophe und zeigt, die Kontrollmöglichkeiten beim staatlichen Arbeitsschutz müssen dringend verbessert werden. Das, was wir in NRW einmal aufgebaut haben, gerät offenbar ins Wanken. Jedenfalls sind die Defizite im Arbeitsschutz jetzt offenkundig.

Gibt es dafür eine Erklärung?

Die staatliche Arbeitsschutzkontrolle in NRW ist in ihren Grundfesten erschüttert worden, als die schwarz-gelbe Regierung unter Jürgen Rüttgers die eigenständige Arbeitsschutzverwaltung aufgelöst und in die Bezirksregierungen integriert hat. Das hat dem Arbeitsschutz fast das Genick gebrochen.

Wurden auch Stellen im Arbeitsschutz gestrichen?

2003 gab es in NRW 652 Beamtinnen und Beamte, 2013 waren es nur noch 416. Das sind 36% weniger Personal in zehn Jahren. Das bedeutet natürlich Qualitätsverlust. Mit Guntram Schneider als sozialdemokratischem Arbeitsminister wurde diese Entwicklung gestoppt und es gab eine leichte personelle Aufstockung. Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Was wir dringend brauchen, ist ein systematischer Wiederaufbau.

Ist die staatliche Arbeitsschutzverwaltung ein zahnloser Tiger?

Wenn die Betriebe die Angst vor Kontrollen verlieren, ist Ignoranz und Gesetzesbruch Tür und Tor geöffnet. Zwar gibt es Überwachungen in besonders gefährdeten Bereichen. Diese Schwerpunkt-Aktionen sind wichtig, ändern aber nichts daran, dass die Arbeitsschutzverwaltung in NRW katastrophal unterbesetzt ist.

Es kamen auch neue Aufgaben hinzu.

Ja, zum Beispiel im Mutter- und Jugendschutz. Da gibt es neue Verpflichtungen für die Arbeitgeber, die Einhaltung ist zu kontrollieren. Wenig Personal bei wachsenden Aufgaben und immer kleinteiligeren Betriebsstrukturen, das geht einfach nicht zusammen. In NRW haben wir jedenfalls keine schlagkräftige Arbeitsschutzverwaltung mehr.

Was halten Sie von Arbeitgebern, die den Arbeitsschutz ignorieren?

Das ist kein Kavaliersdelikt, es gefährdet das Leben von Menschen. Offenkundig ist in einem Teil der Unternehmen der Arbeitsschutz aus dem Blickfeld geraten. Es gibt natürlich auch die anderen, die wenige Unfälle haben und wo der Arbeitsschutz gut funktioniert. Aber: Es wird höchste Zeit, dass der Schutz der Menschen wieder überall im Mittelpunkt steht.

Können Betriebsräte helfen?

In vielen Betrieben gibt es immer noch keine Betriebsräte, die sich um den Arbeitsschutz kümmern. Wir wissen seit Langem, dass die Schutzsysteme besser funktionieren, wenn es eine engagierte Interessenvertretung gibt. Aber auch da, wo Betriebsräte agieren, brauchen sie unbedingt die Unterstützung der staatlichen Arbeitsschutzbehörden.

Arbeitsminister Laumann war vom Kontrollergebnis erschüttert.

Minister Laumann spricht sich für einen aktiven Arbeitsschutz aus. Aber die Landesregierung insgesamt, Ministerpräsident und Finanzminister, müssen mitziehen. Wir brauchen mehr Personal, damit der staatliche Arbeitsschutz seine Aufgaben wieder erfüllen kann. Dann kann der Arbeitsminister auch wieder ruhig schlafen.

Fragen von Dr. Klaus Heimann

Weitere Informationen

Das Trendthema in »Gute Arbeit« 3/2018: Uwe Lenhardt, »Staatliche Aufsicht: Ende der Talfahrt?« (S. 20-21). Dr. Klaus Heimann, »Schwere Verstöße, löchrige Kontrollen« (S. 22-24).

Titelthema in »Gute Arbeit« 3/2018: »Urlaub und Sonderurlaub: Fakten, Ansprüche, Mitbestimmungsrechte« (S. 8-19).

Außerdem interessant: Das neue »Arbeitsstättenrecht im Betrieb – Teil I« (S. 25 ff.) von Prof. Dr. Kerstin Feldhoff, »Mehr Klarheit beim Mindestlohn« von Thomas Lakies. Und »BEM-Akten in der digitalen Arbeitswelt«.

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