Kündigung

Pornovideos rechtfertigen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden

12. Juni 2020 Kündigung
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Quelle: © Marco2811 / Foto Dollar Club

Betriebsratsmitglieder sind nur vor ordentlichen, nicht aber vor außerordentlichen Kündigungen geschützt. Eine sexuelle Belästigung einer Kollegin durch Übersenden von Pornovideos ist ein wichtiger Grund, der zur fristlosen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds berechtigt. So nun das LAG Mecklenburg-Vorpommern.

Betriebsratsmitglieder genießen weitreichenden Kündigungsschutz. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes allerdings darf der Arbeitgeber im Ausnahmefall eine außerordentliche Kündigung (gemäß § 626 BGB) als Maßnahme vorsehen.

Das war der Fall

Der Betriebsratsvorsitzende schickte seiner Betriebsratskollegin, mit der er ein Zimmer teilte, per Whatsapp neben lustigen Clips zunehmend auch »zweideutige« Bilder, zuletzt vier pornografische Videos. Die Kollegin forderte den Betriebsrat auf, dies zu unterlassen, informierte zugleich aber auch die Mitarbeiterberatungshotline des Konzerns und die Personalabteilung. Zugleich begab sich die Kollegin in psychologische Behandlung.

Der Arbeitgeber entschloss sich daraufhin zur Kündigung und ersuchte den Betriebsrat um entsprechende Zustimmung nach § 103 Abs. 1 BetrVG. Diese verweigerte der Betriebsrat jedoch. Er ist der Meinung, die Belästigung sei von Art und Umfang als geringfügig einzustufen. Der Arbeitgeber verlangt vom Gericht die Ersetzung der Zustimmung.

Das sagt das Gericht

Das Gericht hält die Kündigung hier für wirksam und folgt der Argumentation des Betriebsrats nicht, der die Zustimmung verweigert hatte.

Pornovideos per Whatsapp sind sexuelle Belästigung

Das LAG sieht einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung als gegeben an. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet sexuelle Belästigungen. Eine solche stellt auch das Übersenden pornografischer Videos über den Messenger-Dienst Whatsapp dar. Die Kollegin wurde dadurch in schwerwiegender Weise belästigt. Das Gericht bezeichnet die Videos als »ekelerregend« und »abstoßend«, sie degradierten Frauen zu reinen Sexualobjekten und könnten daher nur als schwere Kränkung und Entwürdigung angesehen werden.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Kollegin die Videos selbst manuell gestartet und angesehen hat. Dabei ist für das LAG entscheidend, dass die Mitarbeiterin sich arbeitsunfähig melden, in psychologische Behandlung begeben und ihr Betriebsratsamt auf ärztliches Anraten hin niedergelegen musste. Die Wiedereingliederung in den Betrieb dauerte etwa ein Jahr.

Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung bedurfte es auch keiner Abmahnung. Auf eine pauschale Fristversäumnis als Begründung dürfe sich der Betriebsrat nicht zurückziehen.

Das muss der Betriebsrat beachten

Bei sexuellen Belästigungen müssen Arbeitgeber handeln. Denn sie müssen nach dem AGG ihre Arbeitnehmer schützen – auch vor Angriffen oder Belästigungen durch Kollegen. Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, sind die betroffenen Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist (§ 14 Satz 1 AGG). Daher greifen die Arbeitgeber häufig direkt zum Mittel der Kündigung – hier im Fall eines Betriebsratsvorsitzenden wegen des Kündigungsschutzes nach § 15 KSchG sogar zur außerordentlichen Kündigung. Die Gerichte folgen hier wegen des besonderen Schutzes der Arbeitnehmer zumeist der Argumentation des Arbeitgebers.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Mecklenburg-Vorpommern (05.03.2020)
Aktenzeichen 5 TaBV 9/19
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