Beamtenrecht

Rauswurf per Verwaltungsakt

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Quelle: © Fontanis / Foto Dollar Club

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch Verwaltungsakt verstößt nicht gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG. Die verwaltungsrechtliche Regelung in § 38 Abs. 1 des Landesdisziplinargesetzes Baden-Württemberg (LDG BW) ist zulässig.

Das BVerfG hat per Beschluss die Verfassungsbeschwerde eines ehemaligen baden-württembergischen Polizeibeamten zurückgewiesen, der entsprechend dem geänderten Landesrecht durch Verwaltungsakt aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden war.

Landesdisziplinargesetz erlaubt Dienstentfernung ohne Richterpsruch

Seit 2008 sieht § 38 Abs. 1 des Landesdisziplinargesetzes Baden-Württemberg (LDG BW) vor, dass sämtliche Disziplinarmaßnahmen durch Verwaltungsakt angeordnet werden. Gegen die ergangene Disziplinarverfügung steht den Beamten ohne Vorverfahren der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Der Rechtsweg umfasst grundsätzlich drei Instanzen, wobei die Berufung zulassungsabhängig ausgestaltet ist. Die nachträgliche gerichtliche Kontrolle ist dabei besonderen Disziplinarkammern beziehungsweise Disziplinarsenaten vorbehalten.

Der Polizeiobermeister war parallel zu seinem Staatsdienst als Geschäftsführer von zwei Bauunternehmen tätig und in diesem Zusammenhang dreimal wegen Vermögens- und Urkundendelikten rechtskräftig verurteilt. Im Dezember 2011 entfernte ihn das zuständige Polizeipräsidium aus dem Beamtenverhältnis. Der Verwaltungsrechtsweg dagegen blieb erfolglos.

Das BVerfG hat nun klargestellt, dass ein Grundsatz der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur durch Richterspruch oder nur durch eine vom Dienstvorgesetzen verschiedene Stelle nicht existiere. Auch das Lebenszeitprinzip sei durch die Abschaffung der gerichtlichen Disziplinargewalt – wie in Baden-Württemberg praktiziert – nicht verletzt.

Wesentliche Erwägungen des Senats

Ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur durch Richterspruch erfolgen darf, besteht nicht und hat sich laut BVerfG, anders als oft angenommen, auch nicht bis zum Ende der Weimarer Republik etabliert. Das habe die  rechtshistorische Analyse ergeben.

Ein hergebrachter Grundsatz, wonach die Entfernungsentscheidung nicht vom unmittelbaren Dienstvorgesetzten getroffen werden dürfe, existiere ebenfalls nicht. Den Schutz vor willkürlichen Maßnahmen durch Übertragung der Entfernungsentscheidung auf Dritte bedürfe es nicht. Hierfür seien weitere Instrumente, insbesondere eine nachträgliche gerichtliche Vollkontrolle, denkbar. Daraus folgt laut BVerfG im Umkehrschluss, dass die Entziehung der alleinigen Disziplinarbefugnis des Dienstvorgesetzten nicht derart prägend für das Beamtentum ist, dass ihr der Rang eines Strukturprinzips zuzusprechen wäre.

Richtervorbehalt nicht notwendig

Das zum Kernbestand der Strukturprinzipien gehörende Lebenszeitprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG erfordert keinen Richtervorbehalt für Entfernungen aus dem Beamtenverhältnis, da effektiver nachgelagerter Rechtsschutz sichergestellt ist. Es beinhaltet neben dem Grundsatz der lebenszeitigen Anstellung auch die grundsätzliche Unentziehbarkeit des statusrechtlichen Amtes. Erst rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit bietet die Gewähr dafür, dass das Berufsbeamtentum zur Erfüllung der ihm vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann. Dazu gehört auch und vor allem, dass Beamte nicht willkürlich oder nach freiem Ermessen politischer Gremien aus ihrem Amt entfernt werden können. Die Beendigung des Beamtenverhältnisses ist nur unter genau gesetzlich geregelten Voraussetzungen und Formen zulässig. Das Bewusstsein ihrer gesicherten Stellung soll die Bereitschaft der Beamten zu einer an Gesetz und Recht orientierten Amtsführung fördern. Nur wenn die innere und äußere Unabhängigkeit gewährleistet ist, kann realistischerweise erwartet werden, dass Beamte auch dann auf rechtsstaatlicher Amtsführung beharren, wenn sie politisch unerwünscht sein sollte. Das Berufsbeamtentum wird so zu einem tragenden Element des Rechtsstaates.

Schutz vor Willkür ist gewährleistet

Gewaltenteilung als Instrument des Schutzes vor Willkür und Machtmissbrauch bedeute nicht, dass eine disziplinare Erstentscheidung von einem Gericht getroffen werden muss. Eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle einer Verwaltungsentscheidung bietet laut BVerfG ausreichend Schutz. An das Verwaltungsverfahren seien keine besonderen Anforderungen zu stellen.

Hinsichtlich wichtiger Aspekte wie dem Entfall der Dienstbezüge nach der Disziplinarmaßnahme stehe der nachträgliche Rechtschutz, auch im Eilverfahren, offen, so dass hier keine Rechtslücke entsteht. Der effektive Rechtsschutz ist durch die baden-württembergische Regelung gewährleistet.

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

BverfG (14.01.2020)
Aktenzeichen 2 BvR 2055/16
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