Betriebsversammlung

Simultan-Dolmetscher für Betriebsversammlungen?

18. Dezember 2023
Stempel genehmigt abgelehnt Bewerbung Antrag
Quelle: Pixabay.com/de | Bild von Dieter_G

In der Regel trägt der Arbeitgeber die Kosten für Dolmetscher bei Betriebsversammlungen. Geht es um viele und zudem exotische Sprachen, können die Kosten allerdings unverhältnismäßig sein. Der Betriebsrat soll vorab prüfen, für wen die Übersetzung erforderlich ist – so das LAG Sachsen in einer fragwürdigen Entscheidung.

Das war der Fall

Bei amazon ist der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund hoch. An einem Standort in Sachsen haben mehr als die Hälfte der mehr als 1000 Mitarbeiter eine andere Muttersprache als Deutsch. Der Betriebsrat fordert daher, dass für Betriebsverssammlungen Simultan-Dolmetscher in Arabisch, Tigrinisch, Persisch und weiteren Sprachen zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten belaufen sich geschätzt auf ca. 31.000 €.

Der Betriebsrat argumentiert, Dolmetscher seinen „erforderlich“ im Sinne des § 40 Abs.2 BetrVG, da sonst kein Austausch auf der Betriebsversammlung stattfinden könne. Das Arbeitsgericht hat die Erforderlichkeit der Kosten abgelehnt.

Das sagt das Gericht

Auch das LAG lehnt den Antrag des Betriebsrats letztlich ab.

Zwar gibt das Gericht dem Betriebsrat insofern Recht, als es bestätigt, dass der Arbeitgeber im Grundsatz die Kosten für Dolmetscher nach § 40 Abs. 2 BetrVG übernehmen muss. Sind Beschäftigte nicht der deutschen Sprache mächtig, können für Betriebsversammlungen Dolmetscher hinzugezogen werden, deren Kosten erstattungsfähig sind. Anders sieht es allerdings aus, wenn – wie hier eventuell bei so speziellen Sprachen wie Tigrinisch – es unmöglich ist, ausreichend Dolmetscher aufzufinden.

Im übrigen hält das Gericht das Hinzuziehen mehrerer Dolmetscher für exotische Sprachen für nicht mehr verhältnismäßig. Das Gericht argumentiert wie folgt:

  • Der Betriebsrat hat bei der Abwägung, ob das Hinzuziehen von Simultan-Dolmetschern „erforderlich“ ist einen Beurteilungsspielraum, muss aber die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigen. Die Verhältnismäßigkeit ist zu wahren.
  • Das Gericht rügt hier, dass der Betriebsrat vorab nicht geklärt hat, ob eventuell ausreichend Deutschkenntnisse vorhanden sind. Aufklärung hätte eine kleine Umfrage unter den ausländischen Mitarbeitern oder eine Fragebogenaktion gebracht.
  • Es ist nach Meinung des Gerichts keine Lösung, nur für einige Sprachen einen Dolmetscher zu beauftragen, da dadurch das Gebot der Gleichbehandlung verletzt würde.
  • Dem Argument des Betriebsrats, das Hinzuziehen von Dolmetschern fördere die Integration, hält das Gericht entgegen, Integration „bedeutet dagegen nicht, dass sich das größere Ganze dem einzelnen Arbeitnehmer anpasst.“  Das Bereitstellen von Dolmetschern verringere – so das LAG – den Anreiz, die Sprache der neuen Umgebung möglichst schnell zu lernen.
  • Das Gericht führt weiter aus, dass auch bei Hör- und Sehgeschädigten das Problem auftauchen könne, dass sie der Betriebsversammlung nicht folgen könnten.

Das Gericht kommt letztlich zu dem Ergebnis, dass die Kosten für das Simultan-Dolmetschen unverhältnismäßig sind und es zudem andere mögliche und kostengünstigere Wege der Information bzw. Übersetzung geben könne.

Das ist für die Praxis wichtig

Das Urteil ist bedauerlich und letztlich ein „Rückschritt“. Zudem verkennt es die Realität in Zeiten, in denen die Betriebe immer stärker auf zugewanderte ausländische Beschäftigte angewiesen sind. Daher darf man gespannt sein, ob andere Arbeitsgerichte dieser „realitätsfernen“ Auffassung folgen.

Zwar gibt es keine Regelung im BetrVG, die Arbeitgeber zu einer Verdolmetschung verpflichten. In Zukunft sollte der Betriebsrat im Vorfeld einer geplanten Betriebsversammlung einen Beschluss fassen, dass eine Verdolmetschung erforderlich ist und dies auch mit dem Arbeitgeber vorher absprechen.

Gebärdensprache

Soweit ein Unternehmen hörgeschädigte Mitarbeiter beschäftigt, kommt auf Betriebsversammlungen auch der Einsatz eines Gebärdensprach-Dolmetschers in Betracht. Dessen Einsatz auf der Betriebsversammlung kann das örtliche Integrationsamt nach § 185 Abs. 3 SGB IX fördern, bis zur völligen Übernahme der Kosten. Sind im Betrieb hörbehinderte Mitarbeiter vorhanden, die von einer Gebärden-Übersetzung profitieren würden, sollten die SBV oder der Betriebsrat beim Integrationsamt anfragen, ob und welche Kosten übernommen werden und dies dem Arbeitgeber mitteilen (am besten sechs Wochen bis zwei Monate im voraus, damit der Antrag des Arbeitgebers bearbeitet werden kann).

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Sachsen (10.10.2023)
Aktenzeichen 2 TaBVGa 2/23
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