Corona-Projekt

So geht Betriebsversammlung 4.0

25. September 2020 Betriebsrat, Corona
61_ArianeGroup-Betriebsrat-Bremen

Die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben in vielen Betrieben zu einer Schockstarre geführt. Jetzt war Kreativität angesagt, um trotz der Einschränkungen ein »normales« Miteinander zu gewährleisten. Wie bei der ArianeGroup am Standort Bremen, deren Betriebsrat ein Ersatzformat für die Betriebsversammlung entwickelt hat.

Als Unternehmen der Raumfahrtindustrie sind bei der ArianeGroup mit ihren 500 Beschäftigten findige Köpfe gefragt, um Problemlösungen zu finden. Für den Betriebsrat startete der Countdown am 28. Mai 2020: Jetzt war klar, dass sich Corona-bedingt die geplanten, noch ausstehenden Betriebsversammlungen nicht nach Protokoll durchführen ließen. Es musste also eine Alternative zur klassischen Versammlung her.

Die Lösung sollte multimedial ausfallen. Damit war der Betriebsrat bereit, einen völlig neuen Weg zu gehen. Eine Hilfestellung für alle, die diese Möglichkeiten nutzen wollen, kommt vom Gesetzgeber: § 129 BetrVG. Die Norm beinhaltet die Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie. Sie sieht in Absatz 3 unter anderem vor, dass Betriebsversammlungen im Sinne von § 42 BetrVG »mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können.«

Neue Ideen braucht das Land

Damit war der Ansatzpunkt für die Ariane-Betriebsräte klar. Als Problemlösung setzten sie auf selbstproduzierte und -bearbeitete Smartphone-Videos, um mehr Emotionalität zu erzeugen. Zusätzlich bestand der Anspruch, die Vielzahl der Kolleginnen und Kollegen, die im Homeoffice arbeiten, ebenfalls zu erreichen und auch sie mit lebhaften Inhalten zu informieren. Etwa drei Wochen vor der Veröffentlichung holte der Betriebsrat Fragen der Mitarbeiter an das Gremium und die Geschäftsführung ein, um die Belegschaft einzubinden.

Neben den Videos mit wichtigen Themen, etwa zur wirtschaftlichen Lage, entstanden animierte Power Point Präsentationen sowie klassische Tätigkeitsberichte – »ein Potpourri an unterschiedlich dargebotenen Informationen«, wie es in der Projektvorstellung heißt.

Launch der Multimedia-Betriebsversammlung

Am 25. Juni war es dann soweit, für die Alternative zur Betriebsversammlung hieß es »Ready for launch«. Drei Stunden vor diesem Launch sollte ein Teaser die Belegschaft anfüttern, bevor um 12 Uhr die virtuelle Betriebsversammlung eröffnet wurde. Die Mitarbeiter erhielten den Zugang zu einem Intranet-Portal mit elf Videoclips von bis zu drei Minuten Länge, einer mit Sprache hinterlegten Power Point Präsentation sowie Textbausteine für alle Themen, bei denen Videoclips keinen Mehrwert bringen.

Der Vorteil gegenüber der regulären Betriebsversammlung liegt bei dieser multimedialen Lösung klar auf der Hand: Zum einen fällt die zeitliche Begrenzung weg, die Beschäftigten können sich das Informationsmaterial jederzeit und wiederholt anschauen. Zum anderen entscheiden die User, in welche Themenbereiche sie tiefergehend einsteigen möchten. Jeder Nutzer kann selbst filtern, was für ihn von Interesse ist – so lassen sich Inhalte gezielt und schwerpunktmäßig an die Beschäftigten bringen. 

Fazit des Betriebsrats: Die »Alternative zur Betriebsversammlung« in Form der umgesetzten Infotainment‐Initiative hat trotz des Homeoffice und räumlicher Distanz der Kolleginnen und Kollegen ein Wir‐Gefühl erzeugt. Wir meinen: Das ist Blockbuster-verdächtig.

Projekt für Corona-Sonderpreis 2020 eingereicht

Mit dieser pandemiebedingten Mitbestimmungsinitiative hat sich der Betriebsrat der ArianeGroup in Bremen wie rund 40 weitere Mitbewerber für den Corona-Sonderpreis 2020 im Rahmen des Deutschen Betriebsräte-Preises beworben.

4 Fragen an den Betriebsrat der ArianeGroup Bremen

1.       Wie sind Sie im Gremium vorgegangen im Shutdown?

Da unsere Termine für die diesjährigen Betriebsversammlungen bereits seit Januar 2020 feststanden und im Betrieb kommuniziert wurden, fühlten wir uns den Kolleginnen und Kollegen gegenüber verpflichtet, diese Termine auch einzuhalten. So auch den Termin Mitte Juni. Bei der Suche nach Alternativen war schnell klar, dass die Durchführung mehrerer kleiner Betriebsversammlungen mit jeweils maximal 50 Teilnehmern, sowie Bereichsversammlungen, ausscheiden. Begründung: Wir können damit unmöglich alle Kollegen/innen erreichen aufgrund der Tatsache, dass viele das Homeoffice nutzen.

Einen Tätigkeitsbericht per E-Mail zu verschicken schied ebenfalls aus, da die Vielzahl der Themen den Rahmen sprengen würde.

Als dann am 15.5. der neue Paragraph 129 in das Betriebsverfassungsgesetz aufgenommen wurde, und somit die Möglichkeit, multimedial aufzutreten, gegeben war, war schnell der Entschluss gefasst, eine Präsenz im Intranet zu gestalten. Wir haben dies »Betriebsratsinformation 2. Quartal 2020« genannt.

In weiteren »Brainstormings« klärten wir dann, welche Inhalte zu präsentieren wären, wie diese zu präsentieren seien und wie das ganze technisch umzusetzen wäre.

Wir haben ein Redaktionsteam gebildet, dass die anstehenden Aufgaben ausformuliert hat. Diese Aufgaben wurden dann an die einzelnen BR-Mitglieder delegiert, und in regelmäßigen Abständen fanden wieder Sitzungen statt, um den Progress-Status aufzunehmen, Probleme zu erörtern und Lösungen zu finden. Dabei half uns das sog. »Systemische Konsensieren«.

2.      Welche Schwierigkeiten mussten Sie meistern?

Die nötigen BR-Sitzungen selbst waren schon eine Herausforderung, da wir nur mit fünf Kollegen/innen im Besprechungsraum sitzen durften. Die anderen Mitglieder waren online per Telefon und Screensharing zugeschaltet. Es ist schwierig, solche Sitzungen im Homeoffice und im Büro zu organisieren. Auch der Kontakt zur Belegschaft war nicht einfach herzustellen und ging teilweise nur per E-Mail.

Als schwierig stellte sich auch heraus, von der Geschäftsführung Stellungnahmen per Videobotschaft zu Fragen aus der Belegschaft zu erhalten. Diesem Wunsch der Belegschaft konnte nicht entsprochen werden. Stattdessen hat der Betriebsrat erwirkt, dass wir schriftliche Antworten von der Geschäftsführung bekommen haben. Bis es soweit war, verging allerdings eine weitere Woche, so dass wir mit der Veröffentlichung unserer Betriebsratsinformation warten mussten.

Weitere Schwierigkeiten waren dann technischer Natur. Die Darstellung in unserem Intranet war nicht nach WYSIWYG-Maßgabe, was zur Folge hatte, dass wir mehrmals den technischen Support um Hilfe bitten mussten. Einige Probleme konnten tatsächlich nicht gelöst werden, so dass wir »Workarounds« erfinden mussten.

Fazit: Die Schwierigkeiten, die sich uns bei dieser ersten Betriebsratsinformation dieser Art gezeigt haben, dienen als »lessons-learned« für die nächsten Veranstaltungen, die ebenfalls wieder über das Intranet präsentiert werden müssen.

3.       Wie konnten Sie den Arbeitgeber letztendlich überzeugen?

Überzeugungsarbeit war in diesem speziellen Fall nicht nötig. Nachdem feststand, auf welche Art und Weise wir die anstehende »Betriebsratsinformation« umsetzen, haben wir diese mit dem Arbeitgeber abgestimmt und dafür grünes Licht bekommen.

4.       Gab es intern, im Gremium, Hürden zu überwinden?

Nein. Da wir in unserer Konsolidierungsphase nach der BR-Wahl einige Schulungen hatten, in denen wir gelernt haben, wie wir wertschätzend und zielorientiert als Betriebsrat arbeiten können, gab es keine schwerwiegenden Hürden. Es musste lediglich geklärt werden, wer sich um welche Aufgaben kümmert und wo im Team brauchbare Kompetenzen vorhanden sind, die wir für die Umsetzung dieser Aufgaben sinnvoll nutzen können.

 

Weitere Informationen

Zum Unternehmen

ArianeGroup ist das weltweit führende Unternehmen auf dem Gebiet des Raumtransports für institutionelle und kommerzielle Kunden, sowohl für zivile als auch für militärische Anwendungen. Rund 9000 Mitarbeiter sind in Deutschland und Frankreich beschäftigt. Am Standort Bremen entwickeln und fertigen die Mitarbeiter Komponenten der Ariane-Trägerraketen.

Zahl der Mitarbeiter: 201 bis 500

Gewerkschaften: IG Metall

► Weitere Infos zum Deutschen Betriebsräte-Preis

► Die Nominierten 2020

 

© bund-verlag.de (mst)

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