Arbeitsunfall

Weg zum Hörgeräteakustiker ist nicht gesetzlich unfallversichert

10. März 2022
Arbeit Unfall Arbeitunfall Arbeitsschutz Sturz Risiko Gefahr
Quelle: www.pixabay.com/de

Ein Hörgerät, das nicht hauptsächlich für die berufliche Tätigkeit benötigt wird, ist kein Arbeitsmittel. Wer vor der Arbeit auf dem Weg zum Hörgeräteakustiker stürzt, erleidet deshalb keinen Arbeitsunfall, entschied das LSG Berlin-Brandenburg.

Das war der Fall

Die Klägerin ist als Fahrdienstleiterin für die Deutsche Bahn tätig und leidet unter einer verminderten Hörfähigkeit. Sie vereinbarte deshalb mit ihrer Arbeitgeberin, dass sie bei der Arbeit immer ein Hörgerät tragen und hierfür stets Ersatzbatterien dabeihaben müsse. Im August 2019 fiel das Hörgerät während ihrer Spätschicht unerwartet aus und die Klägerin wechselte die Ersatzbatterien ein. Am darauffolgenden Vormittag kaufte sie bei ihrem Hörgeräteakustiker neue Batterien, da sie wieder für eine Spätschicht eingeteilt war. Hierbei stürzte sie und brach sich den Kopf des Oberarmknochens. Die Unfallversicherung erkannte den Unfall nicht als Arbeitsunfall an. Hiergegen klagte die Klägerin vor dem Sozialgericht und bekam Recht. Die Beklagte legte Berufung beim Landessozialgericht ein.

Das sagt das Gericht

Das LSG wies die Klage ab. Persönliche Hilfsmittel wie Lesebrillen oder Hörgeräte seien keine Arbeitsgeräte im Sinne des SGB, wenn diese nicht nahezu ausschließlich für die Arbeit gebraucht werden.

Kein Wegeunfall

Auch wenn die Klägerin im Anschluss an den Batterienkauf zur Arbeit gehen wollte, handelt es sich nicht um einen Wegeunfall auf dem Weg zur Arbeit. Hierfür fehlt es sowohl an dem sachlichen als auch zeitlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die Klägerin hat ihren eigentlichen Arbeitsweg um mehr als zwei Stunden für private Tätigkeiten unterbrochen, um die Batterien zu besorgen.

Schriftliche Nebenpflicht begründet Versicherungsschutz nicht

Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung lässt sich auch nicht durch die Vereinbarung der Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin erweitern, wonach die Klägerin bei der Arbeit ein Hörgerät zu tragen und Ersatzbatterien mitzuführen hat. Jeder Arbeitnehmer ist selbst dafür verantwortlich, dass benötigte Hilfsmittel zum Ausgleich körperlicher Einschränkungen funktionieren. Verpflichten sich Arbeitnehmer schriftlich, das Hilfsmittels während der Arbeitszeit zu benutzen, sind Unfälle, die im Zusammenhang mit der Einhaltung dieser Verpflichtung passieren, nicht vom gesetzlichen Schutz der Unfallversicherung gedeckt. Andernfalls hätten es die Parteien eines Arbeitsverhältnisses in der Hand den Versicherungsschutz beliebig durch Vereinbarung von Nebenpflichten in den privaten Lebensbereich auszudehnen.

Vorbereitungshandlungen nur ausnahmsweise versichert

Vorbereitungshandlungen zur Instandhaltung persönlicher Hilfsmittel sind nur dann ausnahmsweise versichert, sofern ein enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit besteht. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer plötzlich und unerwartet Maßnahmen treffen muss, um die Funktionsfähigkeit des Hilfsmittels wiederherzustellen.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt wieder einmal, dass es bei der Einstufung von Unfällen als Arbeitsunfall auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt. Grundsätzlich gilt aber: Ohne konkreten zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit, liegt kein Arbeitsunfall vor.

© bund-verlag.de (cs)

Quelle

LSG Berlin-Brandenburg (10.02.2022)
Aktenzeichen L 3 U 148/20

Das könnte Sie auch interessieren

Inklusion Familie Rollstuhl Behinderung Gleichstellung Sonnenuntergang Gruppe
Rehabilitation - Aus den Fachzeitschriften

20 Jahre BEM

Dollarphotoclub_82076822
Tarifliche Ausschlussklausel - Rechtsprechung

Inflationsausgleichsprämie während der Altersteilzeit?