Unfallversicherung gilt auch an Probetagen

Der Kläger bewarb sich auf eine Stelle als LKW-Fahrer bei einem Entsorger von Lebensmittelabfällen. Er sollte an einem unbezahlten Probearbeitstag mit dem LKW mitfahren und Abfälle einsammeln. An diesem Probearbeitstag stürzte er vom LKW und verletzte sich am Kopf.
Der Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Der Kläger setzte sich dagegen erfolgreich in drei Instanzen durch.
Unfall an einem Probearbeitstag ist versichert
Sozialgericht und Landessozialgericht gaben dem Kläger Recht und nahmen einen versicherten Arbeitsunfall an. Beide Gerichte befanden, dass der Kläger an dem Tag als »Beschäftigter« nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gesetzlich unfallversichert war. Dabei schade es nicht, dass noch kein Arbeitsverhältnis bestanden habe.
Beim Mitfahren und Einsammeln von Abfällen für das Unternehmen sei der Bewerber in ein fremdes Unternehmen eingebunden und ordne sich dem Weisungsrecht des Unternehmens unter. Denn er sollte nicht nur zuschauen, sondern über einen ganzen Arbeitstag arbeiten und die Wege kennenlernen. Ein solcher Probetag diene vorrangig dem Eigeninteresse des Arbeitgebers. Auf diese Weise suche der Arbeitgeber geeignete und belastbare Arbeitnehmer, denn viele seiner Bewerber seien nach kurzer Zeit abgesprungen.
Gegen diese Entscheidung legte der Unfallversicherungsträger Revision ein.
BSG: Versicherungsschutz als »Wie-Beschäftigter«
Das Bundessozialgericht (BSG) bestätigte die vorinstanzlichen Entscheidungen im Ergebnis, jedoch mit einer anderen Begründung. Der Verletzte war nicht als »Beschäftigter« unfallversichert. Hierfür war er noch nicht ausreichend im Betrieb eingegliedert und es fehlte noch an einer auf Dauer gerichteten Beschäftigung.
Der Kläger war jedoch als »Wie-Beschäftigter« nach § 2 Abs. 2 SGB VII unfallversichert. Er habe einem fremden Unternehmen dienende, seinem Wille entsprechende Tätigkeit erbracht, die für das Unternehmen vom wirtschaftlichen Wert war. Denn das Unternehmen wollte nicht nur ungeeignete Arbeitnehmer aussieben, sondern hatte von dem »kostenlosen« Probetag einen wirtschaftlichen Vorteil, ähnlich wie bei einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis.
Das eigene Interesse des Unternehmens, geeignetes Personal zu finden, war in dem Fall offensichtlich. Außerdem war die Tätigkeit an dem Probetag vollständig von dem Direktionsrecht des Unternehmens bestimmt.
Hinweis für die Praxis
Der Betriebsrat setzt sich für die Einhaltung der Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung ein (§ 89 Abs. 1 BetrVG) Deshalb hat der Arbeitgeber den Betriebsrat bei der Untersuchung von Arbeitsunfällen hinzuzuziehen. Dies beginnt mit der Pflicht, den Betriebsrat über Arbeitsunfälle zu informieren. Ein Arbeitsunfall muss bei der Unfallversicherung angezeigt werden, die Anzeige ist vom Betriebsrat mit zu unterzeichnen (§ 193 Abs. 5 S. 1 SGB VII). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat eine Durchschrift der Anzeige aushändigen. Nach der hier ergangenen Entscheidung gilt dies auch für Personen, die an einem Probetag im Betrieb tätig werden.
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) muss der Arbeitgeber den Betriebsrat sogar über Arbeitsunfälle unterrichten, die Beschäftigte eines anderen Arbeitgebers in seinem Betrieb erleiden (BAG 12.03.2019 – 1 ABR 48/17).
Yuliya Zemlyankina, DGB Rechtsschutz GmbH
Quelle
Aktenzeichen B 2 U 1/18
Sie erhalten diese Entscheidungsbesprechung als Teil des Newsletters »AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat« vom 11.9.2019