Unterlassungsanspruch

Verlust des Mitbestimmungsrechts

03. Juli 2019
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Quelle: © Marco2811 / Foto Dollar Club

Verletzt der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, so kann dieser Unterlassung geltend machen. Ausnahmsweise kann das Ausüben des Unterlassungsanspruchs missbräuchlich sein. Und zwar dann, wenn der Betriebsrat sich zuvor der Kooperation mit dem Arbeitgeber verweigert hat. Von Matthias Beckmann.

In diesem Verfahren stritten Arbeitgeber und Betriebsrat um ein Unterlassungsbegehren des Betriebsrates. Der Arbeitgeber führte einen Klinikbetrieb mit rund 335 Beschäftigten. Eine frühere mit Zustimmung des Betriebsrats vereinbarte Arbeit- und Pausenzeitenregelung war von Seiten des Arbeitgebers gekündigt worden. Dennoch erfolgte die Aufstellung der Dienstpläne zunächst weiterhin einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Streit über Dienstpläne

Im weiteren Verlauf kam es allerdings zu Auseinandersetzungen, weil über einzelne Dienstpläne keine Einigkeit hergestellt werden konnte. Der Arbeitgeber forderte den Betriebsrat daher auf, sich mit der Bildung einer Einigungsstelle einverstanden zu erklären. Dies lehnte er jedoch ab.

Der Arbeitgeber leitete daraufhin beim Arbeitsgericht ein Verfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle ein. Eine daraufhin erfolgte Anfrage des Arbeitsgerichts beim Betriebsrat zur kurzfristigen Anberaumung eines Termins blieb erfolglos. Gegen die dann durch Beschluss des Arbeitsgerichts eingesetzte Einigungsstelle kündigte der Betriebsrat Beschwerde an.

Betriebsrat verweigert Mitwirkung

Die vom Vorsitzenden der Einigungsstelle vorgeschlagenen Termine lehnte der Betriebsrat ab, schließlich kam es mit zeitlicher Verzögerung doch noch zu einer Sitzung der Einigungsstelle. Trotz Auflage durch den Vorsitzenden brachte der Betriebsrat jedoch keine konkreten Einwände vor.

Wegen der in der Folgezeit für weitere Monate vom Betriebsrat abgelehnten Dienstpläne leitete der Arbeitgeber weitere gerichtliche Verfahren zur Bestellung einer Einigungsstelle ein. Der Betriebsrat machte geltend, die Einigungsstelle sei aufgrund der Komplexität nicht imstande, ordnungsgemäße Dienstpläne aufzustellen. Er lehnte die Mitwirkung an der Errichtung der Einigungsstelle weiterhin ab.

Trotz der laufenden Auseinandersetzungen gab der Arbeitgeber jeweils die monatlichen Dienstpläne im Betrieb bekannt. Der Betriebsrat beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht, dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen, die Dienstpläne ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates auszuhängen und die Arbeitszeiten anzuweisen.

Der Arbeitgeber sah den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit durch den Betriebsrat verletzt und verlangte den Antrag zurückzuweisen.

BAG sieht unzulässige Rechtsausübung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Unterlassungsanträge des Betriebsrats als unbegründet angesehen. Zwar habe der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG wiederholt verletzt, weil er die Dienstpläne ohne Einigung mit dem Betriebsrat bekannt gegeben hatte. In diesem besonderen Fall stand der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs allerdings der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Der Betriebsrat habe selbst gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG verstoßen. Nicht zuletzt wegen der sozialrechtlichen Verpflichtung zur Krankenhausbehandlung sei der Arbeitgeber verpflichtet, Dienstpläne aufzustellen. Der Betriebsrat müsse in einem solchen Betrieb alles unternehmen, um im Rahmen seine Mitbestimmungsrechte zu einer einvernehmlichen Regelung zu gelangen.

Bei Auseinandersetzungen über Mitbestimmungsrechte hätte auch der Betriebsrat die Pflicht mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen. Das BAG sah aber stattdessen ein »obstruktives Verhalten« des Betriebsrats und eine Blockadehaltung, die er sich vorhalten lassen müsse.

Praxishinweise

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. Bei allen Festlegungen der Arbeitszeit im Betrieb muss daher zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt werden. Bei Streitigkeiten entscheidet eine Einigungsstelle. Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Mitbestimmungspflicht, hat der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch, den er gerichtlich durchsetzen kann.

Vorliegend scheiterte diese Durchsetzung jedoch daran, dass der Betriebsrat nach Auffassung des BAG selbst gegen die Regelungen des BetrVG verstoßen hatte. Die Rechtsposition, vom Arbeitgeber eine Unterlassung verlangen zu können, hatte der Betriebsrat nur durch eigenes betriebsverfassungswidriges Verhalten erlangt.

Der hier entschiedene Fall ist sicherlich ungewöhnlich. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung kann – so auch das BAG – nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommen. Er kann und darf kein Einfallstor für den Arbeitgeber sein, um Mitbestimmungsrechte zu umgehen.

So hatte auch die Vorinstanz entschieden, dass sich der Betriebsrat (noch) nicht treuwidrig verhalten würde. Dem von ihm erhobenen Vorwurf, der Arbeitgeber könne mit dem derzeitigen Personalbestand keine gesetzes- und tarifkonformen Dienstpläne aufstellen, konnte der Arbeitgeber nicht entkräften. Das LAG hatte dem Unterlassungsantrag daher stattgegeben.

Dennoch kann nur jedem Betriebsrat geraten werden, der Einigungsstelle das Tätigwerden zu ermöglichen und sich einer Lösungsfindung nicht vollständig zu verschließen. Insbesondere die Weigerung des Betriebsrats bei der Einrichtung der unstreitig zuständigen Einigungsstelle mitzuwirken und ein unverzügliches Tätigwerden dieser zu ermöglichen und dort seine Argumente vorzubringen, war für das BAG letztlich ausschlaggebend hier eine unzulässige Rechtsausübung festzustellen.

Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (12.03.2019)
Aktenzeichen 1 ABR 42/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters »AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat« vom 3.7.2019.
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