Vollbad im Rhein als Kündigungsgrund?

Darum geht es:
Der Kläger ist seit Januar 2021 bei einem Unternehmen der Aufzugsbranche als Trainee zum Verkauf von Neuanlagen beschäftigt. Die Arbeitgeberin veranstaltete im Spätsommer 2022 eine Betriebsfeier auf einem Restaurant- und Partyschiff am Kölner Rhein-Ufer.
Nach 22.00 Uhr soll der Arbeitnehmer, so die Arbeitgeberin, auf der Toilette von einer Reinigungskraft beim Konsumieren eines weißen Pulvers beobachtet worden sein. Danach sei der Trainee vom Schiff gegangen und in den Rhein gesprungen. Er sei um das Schiff herumgeschwommen und, wild gestikulierend und nur mit einer Unterhose bekleidet, über das Boot an den versammelten Mitarbeitern vorbei zum Ausgang gelaufen. Wieder angekleidet und zur Rede gestellt, habe er nur erklärt, er habe Spaß haben wollen. Einen Drogenkonsum hat der Trainee bestritten.
Die Arbeitgeberin meint, der Mitarbeiter habe mit seinem Verhalten massiv den Betriebsfrieden gestört. Er habe sich selbst und andere erheblichen Gefahren ausgesetzt, da die Strömung im Rhein an der Anlegestelle sehr stark sei und dort reger Schiffsverkehr herrsche. Die Stimmung auf der Feier sei nach dem Zwischenfall jäh gekippt.
Die Arbeitgeberin hat das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 12.09.2022 fristlos gekündigt.
Das sagt das Arbeitsgericht
Der Arbeitnehmer hat unter anderem geltend gemacht, die Kündigung sei auch wegen einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung unwirksam. Der Arbeitgeber habe dem Gremium fälschlich mitgeteilt, dass er "unbekleidet“ in den Rhein gesprungen sei.Das Arbeitsgericht Düsseldorf ist in seinem Urteil vom 07.03.2023 der Rechtsauffassung des Klägers gefolgt und hat die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats für unwirksam erklärt.
Weiteres Verfahren
Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, am 18. Juli 2023 verhandelt das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf über die Berufung der Arbeitgeberin (Az. 3 Sa 211/23). Diese beantragt zusätzlich hilfsweise, das Arbeitsverhältnis durch das Gericht
auflösen zu lassen, da eine dienliche Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten sei.
Hinweis für die Praxis
Die korrekte Anhörung des Betriebsrats ist Wirksamkeitsvoraussetzung für jede Kündigung (§ 102 BetrVG). Falsche oder unvollständige Informationen machen die Anhörung und damit auch die daraufhin ausgesprochene Kündigung unwirksam. Bei einer verhaltensbesdingten Kündigung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat wahrheitsgemäß und umfassend mitteilen, auf welchen Sachverhalt er die Kündigung stützt - dabei darf er möglicherweise entlastende Details nicht unterschlagen (vgl. Bachner/Deinert in Däubler/Klebe/Wedde, BetrVG Kommentar für die Praxis, 18. Aufl. 2022, § 102 BetrVG Rn. 97).
Das Landesarbeitsgericht prüft in der Berufung nicht nur Rechtsfragen erneut, sondern bei Bedarf auch den Sachverhalt. Daher wird das LAG auch die hier umstrittene Unterrichtung des Betriebsrats einschließlich der "Bekleidungsfrage" noch einmal bewerten - schon deswegen lohnt es sich für Interessierte, das Verfahren weiter zu verfolgen!
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Quelle
Aktenzeichen 16 Ca 4079/22
LAG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 11.7.2023