Volles Urlaubsentgelt trotz Kurzarbeit

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) garantiert Beschäftigten, dass sie während ihres Urlaubs weiter Arbeitsentgelt erhalten. Das Urlaubsentgelt richtet sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG).
War in dieser Zeit im Betrieb Kurzarbeit angeordnet, ist dies für das Urlaubsentgelt unschädlich: Verdienstkürzungen im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis bleiben außer Betracht (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BUrlG).
Abweichungen durch Tarifvertrag
Indes ist es nicht immer ist es so einfach; das BUrlG lässt andere Regelungen durch Tarifvertrag zu. Eine solche Regelung findet sich im Bundesrahmentarifvertrag Bau (BRTV-Bau). Dort gibt es statt Urlaubsentgelt eine »Urlaubsvergütung«, die sich nach dem Jahresbruttolohn berechnet. Wenn sich der Jahresbruttolohn aufgrund von Kurzarbeit verringert, sinkt auch die Urlaubsvergütung.
Das Ausgangsverfahren
Ein von dieser Regelung Betroffener, Herr Torsten Hein, klagte vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Verden. Er ist als Betonbauer beschäftigt, fällt unter den BRTV-Bau und war im Jahre 2015 für 26 Wochen in Kurzarbeit. Deshalb kürzte sein Arbeitgeber ihm die Urlaubsvergütung erheblich. Das ArbG Verden hat diese Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt, ob dies europarechtsgemäß ist.
Urlaubsanspruch setzt Arbeitsleistung voraus
Der EuGH ist zu folgenden Ergebnissen gekommen: Das EU-Recht verlangt, dass ein Arbeitnehmer einen mindestens vierwöchigen bezahlten Jahresurlaub erhält, allerdings auf der Basis, dass er tatsächlich arbeitet. Dies ist bei Kurzarbeit 0 nicht der Fall. (Der EuGH äußert sich übrigens nicht dazu, ob diese strenge Auslegung auch für Krankheitszeiten gilt). War jemand ein halbes Jahr in Kurzarbeit 0, hat er somit europarechtlich nur Anspruch auf den halben Mindesturlaub, also zwei Wochen.
EuGH: Wem Urlaub zusteht, steht auch Bezahlung zu
Das Europarecht steht aber nationalen Vorschriften – wie dem deutschen BUrlG ‑ nicht entgegen, die vorsehen, dass Urlaubsansprüche auch in Kurzarbeit 0 erworben werden. Wenn denn auf Grundlage nationaler Vorschriften Urlaub gewährt wird, dann muss er auch so bezahlt werden, als sei tatsächlich gearbeitet worden – dies allerdings wiederum nur für die Dauer des europäischen Mindestjahresurlaubs, also vier Wochen.
Für den Vorlagefall bedeutet das, dass der Kläger zu wenig Urlaubsvergütung erhalten hat. Das ArbG Verden wird ihm also mehr zusprechen. Die Tarifvertragsparteien werden den BRTV ändern müssen.
Torsten Walter, LL.M. (Leicester), DGB Bundesvorstand
Quelle
Aktenzeichen C-385/17 (Hein/Holzkamm)
EuGH, Pressemitteilung 201/18 vom 13.12.2018