Wann Unfälle von Schülern versichert sind

Im letzten Jahr gab es 1,2 Millionen meldepflichtige Schülerunfälle
Auch Schülerinnen und Schüler von allgemein- oder berufsbildenden Schulen sind gesetzlich unfallversichert – genauso wie Studierende und Kinder in Tageseinrichtungen (Kitas). Kommt es hier zu einem Unfall, spricht man von einem »Schulunfall«. Streng genommen liegt aber ein »Arbeitsunfall« vor. Denn den Begriff »Schulunfall« kennt das »Sozialgesetzbuch VII – Gesetzliche Unfallversicherung« gar nicht.
Über 1,2 Millionen meldepflichtige Schülerunfälle wurden im letzten Jahr in der gesetzlichen Schülerunfallversicherung (SUV) registriert. Zum Vergleich: Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle in der Allgemeinen Unfallversicherung (AUV) lag »nur« bei knapp 900.000.
Zuständig für die Unfallversicherung von Schülern sind die Unfallkassen und Gemeinde-Unfallversicherungsverbände. Beiträge müssen die Schüler bzw. ihre Eltern dafür nicht zahlen. Das übernimmt die Gemeinde, der Gemeindeverband, die Stadt oder das Land.
Tätigkeiten müssen in sachlichem Zusammenhang mit der Schule stehen
Vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz sind alle Tätigkeiten von Schülern erfasst, die mit dem Aufenthalt in der Schule im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang stehen (schulische Veranstaltungen) und vom organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule abgedeckt werden. Doch was heißt das konkret? Wegen der auslegungsbedürftigen und kurz gefassten gesetzlichen Regelungen zum Unfallversicherungsschutz bei Schülern entstand in den letzten Jahrzehnten eine umfangreiche Rechtsprechung der Sozialgerichte dazu.
Soweit eine offiziell genehmigte Veranstaltung der Schule vorliegt, besteht der Versicherungsschutz auch außerhalb der Unterrichtszeiten oder an anderen Orten. Versichert sind demnach z. B. grundsätzlich auch Aufenthalte auf dem Pausenhof, Wanderungen, Ausflüge, Theaterbesuche oder der Besuch von Neigungs- und Fördergruppen oder Tätigkeiten der Schülermitverwaltung. Dabei muss aber stets ein wesentlicher Einfluss der Schule auf den Verlauf der Veranstaltung belegt werden. Es muss die Möglichkeit des Eingreifens wirksamer schulischer Aufsichtsmaßnahmen bestehen.
Dieser liegt zum Beispiel nicht bei der Erledigung von Hausaufgaben im häuslichen Umfeld oder bei einem privaten Nachhilfeunterricht vor. Er liegt auch nicht vor, wenn Schüler im Rahmen einer Klassenreise unbeaufsichtigten Freizeitaktivitäten nachgehen. Bei solchen Aktivitäten »auf eigene Faust« besteht deshalb in der Regel kein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz.
Unfallversicherungsschutz während einer Projektarbeit
Erst am 23. Januar dieses Jahres musste das Bundessozialgericht (BSG) darüber entscheiden, wie weit der Unfallversicherungsschutz bei einer Projektarbeit geht.
Im strittigen Fall sollten Schüler in Kleingruppen einen Werbeclip zu einem bestimmten Produkt filmen, schneiden, bearbeiten und mit passender Musik unterlegen. Das durfte auch außerhalb des Schulgeländes gemacht werden. Eine Schülergruppe traf sich dafür zu Hause bei einem Klassenkameraden, um den Werbeclip zu drehen. Dabei nahm ein damals 15-jähriger aus der Gruppe an, er werde gefilmt, während er mit einem Getränk aus der Haustür herauskam. Tatsächlich war der Akku des Aufnahmegeräts leer. Als er dies bemerkte, verließ er wütend den Drehort, um auf direktem Weg nach Hause zu gehen. Ein Mitschüler verfolgte ihn und rempelte ihn an. Darauf stürzte der verfolgte 15-Jährige so schwer, dass er sich u. a. ein Schädel-Hirn-Trauma zuzog und seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen ist.
Die beklagte Unfallkasse lehnte es zunächst ab, Leistungen zu gewähren, weil es sich bei den Dreharbeiten um »Hausaufgaben« gehandelt habe, die grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Schüler bzw. ihrer Eltern fielen. Dem hat das BSG – wie schon die Vorinstanz – widersprochen. Es handle sich nicht um eine unversicherte Hausaufgabe, wenn Lehrer »eine Gruppe von Schülern für ein gemeinsames Tun zusammenstellen und sich die Arbeit außerhalb der Schule selbstorganisiert vollzieht oder fortsetzt« (Az.: B 2 U 8/16 R). Dem verunglückten Schüler stehen demnach umfassende Leistungen der Unfallversicherung zu. Diese reichen von der Heilbehandlung über die Rehabilitation, Teilhabe und Pflege bis hin zu Geldleistungen wie Renten.
Wann in weiteren Einzelfällen – etwa in der Pause, im öffentlichen Personennahverkehr, bei Schulausflügen oder Klassenreisen, im Schwimm- und Sportunterricht oder im Praktikum – der Unfallversicherungsschutz für Schülerinnen und Schüler (nicht) gilt, erläutert der stellvertretende Geschäftsführer der Unfallkasse Nord, Martin Kunze, ausführlich in der »Sozialen Sicherheit« 10/2018.
bund-verlag.de (HN)