Kündigung

Wann fristlose Kündigungen wegen Krankheit zulässig sind

07. Dezember 2021 Kündigung
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Quelle: Andrey Popov_Dollarphotoclub

Die fristlose Kündigung eines Ersatzmitglieds im Betriebsrat wegen häufiger Kurzerkrankungen kommt nur im Ausnahmefall in Betracht. Steht der Beschäftigte etwa 2/3 des Jahres arbeitsfähig zur Verfügung, so ist die Kündigung unzulässig – so das LAG Mecklenburg-Vorpommern.

Für Mitglieder und Ersatzmitglieder im Betriebsrat gilt ein Sonderkündigungsschutz (§ 15 KSchG). Dennoch sind außerordentliche Kündigung möglich. Die Anforderungen allerdings sind hoch.

Das war der Fall

Ein Angestellter in einer Backwarenfabrik, der Ersatzmitglied im Betriebsrat ist, erhält wegen extrem häufiger, über Jahre dauernder Kurzerkrankungen eine fristlose Kündigung. Der Betriebsrat hatte der Kündigung widersprochen.

Der Arbeitgeber argumentiert: Die ihm durch die Entgeltfortzahlung entstandenen Kosten seien unzumutbar hoch. Die Gesundheitsprognose des Beschäftigten sei aufgrund der vielen Kurzerkrankungen schlecht, der Beschäftigte könne zudem nicht in der Nachschicht eingesetzt werden.

Das sagt das Gericht

Die außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung war unzulässig. Der Beschäftigte genießt als Ersatzmitglied des Betriebsrats nachwirkenden Sonderkündigungsschutz. Ein außerordentlicher Kündigungsgrund ist nicht gegeben.

Nachwirkender Kündigungsschutz (§ 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG)

Als Ersatzmitglied im Betriebsrat hatte der Beschäftigte noch kurz vor Erhalt der Kündigung an einer Betriebsratssitzung teilgenommen. Der Sonderkündigungsschutz greift daher und wirkt auch ein Jahr nach.

Kein außerordentlicher Kündigungsgrund (§ 626 BGB)

Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung war nicht gegeben.

Häufige Kurzerkrankungen können nur ausnahmsweise einen solchen Grund darstellen. Die Kriterien sind streng. Die Tatsache, dass ein Beschäftigter aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Nachtschicht eingesetzt werden kann, rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung. Ebenfalls ist es nicht ausreichend, wenn der Beschäftigte über mehrere Jahre nur ca. 2/3 der Arbeitszeit einsatzfähig ist und ca. 1/3 Fehlzeiten hat. Das ist kein Missverhältnis. Daraus ergibt sich kein »sinnentleertes« Arbeitsverhältnis. Das Gericht erkennt zudem nicht, dass es zu erheblichen Betriebsablaufstörungen gekommen ist.

Das muss der Betriebs- oder Personalrat wissen

Es mag erstaunen, ist aber wahr: Eine au­ßer­or­dent­li­che krank­heits­be­ding­te Kün­di­gung ist durchaus in manchen Fällen zulässig. Das BAG hat dies bei ansonsten ta­rif­lich un­künd­ba­ren Arbeitnehmern oder Arbeitnehmerinnen ab 17,3 Wo­chen Ent­gelt­fort­zah­lung pro Jahr für gerechtfertigt gehalten (BAG 25.4.2018 - 2 AZR 6/18). Daher müssen alle, die einen Sonderkündigungsschutz genießen (vor allem auch Betriebs- oder Personalräte) da aufpassen.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Mecklenburg-Vorpommern (18.08.2021)
Aktenzeichen 3 Sa 6/21

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