Kündigungsschutz

Warum viele Einzelverstöße eine Kündigung nicht rechtfertigen

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Viele kleine Pflichtverstöße eines Arbeitnehmers, die alleine für eine Kündigung nicht ausreichen, können nicht ohne weiteres aufsummiert und als Gesamtverstoß gewertet werden. Dieser erfordert eine gesonderte Abmahnung, ohne die eine Kündigung unwirksam ist – so das LAG Köln.

Der Fall ist von hoher praktischer Bedeutung, zeigt er doch, dass die Abmahnung eine enorm wichtige »Dokumentationsfunktion« hat und für jeden Pflichtverstoß gesondert erteilt werden muss.

Das war der Fall

Es geht um die Kündigung eines 52 Jahre alten Mannes. Er ist verheiratet und ist für drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Seit 1.6.2011 ist er bei einem Servicedienstleistungsunternehmen beschäftigt, zunächst als Referent im IT-Management, nach einer Versetzung in der Abteilung Konzernservice. Sein Jahresverdienst liegt mit 7.332, 57 € pro Monat deutlich über 60.000 € pro Jahr, weswegen für ihn aufgrund einer Betriebsvereinbarung Vertrauensarbeitszeit gilt. Nebentätigkeiten sind laut Arbeitsvertrag verboten.

Der Beschäftigte war über längere Zeit durch viele kleine Pflichtverstöße äußerst negativ aufgefallen. So sagte er ein Meeting mit anderen Mitarbeitern in letzter Minute krankheitsbedingt ab. Für seine Nebentätigkeit soll sich der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig eine Genehmigung des Arbeitgebers eingeholt haben.

Der Arbeitgeber wollte die Summe der einzelnen Vergehen nicht mehr hinnehmen. Er kündigte fristlose – ohne allerdings nochmals extra abzumahnen. In der Gesamtschau ergebe sich durch die einzelnen kleineren Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers eine Situation, in der es dem Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten sei, diesen weiter zu beschäftigen. Gegen diese Kündigung geht der Beschäftigte mit der Kündigungsschutzklage vor.

Das sagt das Gericht

LAG: »Dokumentationsfunktion der Abmahnung«

Das Gericht hält die Kündigung für unwirksam. Für eine fristlose fehlt der wichtige Grund – mehrere kleine Verstöße ergeben nicht aufsummiert einen großen Gesamtverstoß. Auch eine ordentliche Kündigung wegen Fehlverhaltens hält das Gericht mangels sozialer Rechtfertigung für unverhältnismäßig. Denn jeder einzelne Verstoß hätte – so die Richter – für sich gesehen keine Kündigung des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Auch wenn man diese Pflichtverletzungen summiere, ergebe sich daraus kein solch erheblicher Gesamtverstoß, der ohne vorherige Abmahnung eine Kündigung rechtfertige. Die Dokumentationsfunktion der Abmahnung habe gerade zum Gegenstand, dem Arbeitnehmer zu signalisieren, dass es so wie bisher nicht weitergehen könne. Fehle diese »letzte Warnung« des Arbeitgebers, dann kann der Arbeitnehmer nicht erkennen, dass ohne vorherige Abmahnung arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen.

Auflösungsvertrag an strenge Voraussetzungen gebunden

Auch eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kam aus Sicht des Gerichts hier nicht in Betracht, da der Auflösungsantrag – so die Richter – an strenge Voraussetzungen geknüpft sei. Er erfordere sogar eine zusätzliche Begründung, die nicht vorliege. Vor allem könne die Begründung nicht allein in den Kündigungsgründen gesucht werden, zumal diese für eine solche gerade nicht ausgereicht hätten.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Köln (06.09.2018)
Aktenzeichen 6 Sa 64/18
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