Was Beschäftigte jetzt im Sozialrecht wissen müssen

Zum 1. Januar dieses Jahres sind Leistungsverbesserungen bei der gesetzlichen Rentenversicherung in Kraft getreten. Zudem gibt es bis 2025 Haltelinien beim Rentenniveau und Rentenbeitrag. Das sieht das Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung vor.
Erwerbsminderungsrente verbessert
Das entscheidende Stichwort heißt hier »Zurechnungszeit«. Diese Zeit ist wichtig, weil eine Erwerbsminderung (EM) derzeit im Durchschnitt schon mit 51 Jahren eintritt – also in einem Alter, in dem die Betroffenen erst geringe Rentenansprüche erworben haben. Die Zurechnungszeiten sollen die Lücke zwischen dem Eintritt der Erwerbsminderung und dem Rentenalter zumindest einigermaßen schließen. Sie stellen die Erwerbsgeminderten so, als hätten sie weiterhin mit dem bisherigen Durchschnittsverdienst (der jeweils in Relation gesetzt wird zum Durchschnittsverdienst aller Rentenversicherten) weiterhin Beiträge an die Rentenkasse abgeführt.
2018 endete die Zurechnungszeit für neue EM-Rentner/innen bei 62 Jahren und drei Monaten. Ab 2019 läuft sie bis zum regulären Rentenalter. Das liegt in diesem Jahr bei 65 Jahren und 8 Monaten. Damit wird die Lücke für neue EM-Rentner jetzt vollständig geschlossen.
Gut zu Wissen |
Mit 65 Jahren und acht Monaten können Versicherte des Jahrgangs 1954 in diesem Jahr die reguläre Altersrente (ohne Abschläge) erhalten. Ab 2020 steigt die Zurechnungszeit für EM-Rentner/innen bis 2027 in jedem Jahr um einen Monat, danach jährlich sogar um zwei Monate. Dieser Prozess endet im Jahr 2031, wenn die reguläre Altersgrenze von 67 Jahren erreicht ist. |
Die Verlängerung der Zurechnungszeit in einem Schritt wird EM-Rentnerinnen und Rentnern mit einem Rentenbeginn ab dem Jahr 2019 nach den Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung im Schnitt monatlich etwa 70 Euro mehr Rente im Monat bringen. Die meisten EM-Rentner müssen allerdings bei ihrer Rente noch einen Abschlag von 10,8 % hinnehmen. Das gilt in diesem Jahr, wenn sie die EM-Rente vor 61 Jahren und zwei Monaten in Anspruch nehmen. Bei einem Renteneintritt ab 64 Jahren und zwei Monaten gibt es die EM-Rente abschlagfrei.
Langjährig Versicherte erhalten die EM-Rente aufgrund einer Vertrauensschutzregelung (§ 77 Abs. 4 SGB VI) bereits bei einem Renteneintritt mit 63 Jahren abschlagfrei. Die jetzt erfolgte Anhebung der Zurechnungszeiten gilt allerdings nicht für diejenigen, die bereits Ende 2018 eine Erwerbsminderungsrente bezogen haben. Auch wenn die EM-Rente nach einer zunächst befristeten Bewilligung erneut zugestanden wird (ggf. dann auch unbefristet) handelt es sich nicht um einen Neuantrag. Es bleibt dann also bei der bisherigen schlechteren Regelung der Zurechnungszeiten.
Erwerbsminderungsrente lohnt sich oft mehr als vorzeitiges Altersruhegeld
Beschäftigte ab 61, die gesundheitliche Handicaps haben, sollten prüfen, ob für sie die EM-Rente in Frage kommt. Denn die EM-Rente fällt für sie jetzt deutlich höher aus als eine – alternativ dazu beantragte – vorzeitige Altersrente. Mehr hierzu in der Aprilausgabe der Arbeitsrecht im Betrieb.
Mehr Rente, wenn Kinder vor 1992 geboren wurden
Für Kinder, die ab 1992 geboren wurden, werden bei der Rente jeweils drei Jahre als Kindererziehungszeiten anerkannt. Für Mütter, deren Kind(er) vor 1992 geboren wurden – und ebenso für erziehende Väter – wurde aber bis zum 30. Juni 2014 nur ein Jahr Kindererziehungszeit bei der Rente berücksichtigt. Seit dem 1. Juli 2014 werden dafür zumindest zwei Jahre angerechnet. Jetzt bekommen erziehende Mütter (oder Väter), deren Kinder vor 1992 geboren wurden, pro Kind noch ein halbes Jahr Erziehungszeit zusätzlich bei der Rente zugebilligt, unabhängig von der Anzahl ihrer Kinder. Dies entspricht einem zusätzlichen halben Entgeltpunkt (EP).
Aktuell ist ein halber EP 16,02 im Westen und 15,35 Euro im Osten wert. Um diese Beträge werden die so genannten Mütterrenten (die es aber auch für Väter geben kann) jetzt erhöht.
Mehr Krankenkassenleistungen
Wie in den Vorjahren, so sind auch 2019 die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeweitet worden:
Darmkrebsvorsorge früher möglich: Männer haben nun schon ab 50 Jahren Anspruch auf eine Darmspiegelung (Koloskopie) zur Früherkennung von Darmkrebs. Bislang galt hier – unabhängig vom Geschlecht – eine 55-Jahres-Grenze.
Stationäre Rehabilitation für pflegende Angehörige: Pflegende Angehörige haben häufig aufgrund ihrer familiären Situation keine Möglichkeit, ambulante Rehabilitationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Deshalb wurde für sie der Anspruch geschaffen, auf ärztliche Verordnung und mit Genehmigung der Krankenkasse auch dann stationäre Rehabilitation zu erhalten, wenn vom medizinischen Gesichtspunkt her eine ambulante Reha ausreichend wäre.
Taxifahrten zum Arzt für Pflegebedürftige und Schwerbehinderte: Für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 3 und Menschen, die einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen »aG«, »BI« oder »H« haben, werden von der Kasse bezahlte Taxifahrten zu einer ambulanten fachärztlichen oder zahnärztlichen Behandlung einfacher.
Mehr dazu und was es mit dem Qualifizierungschancengesetz auf sich hat, erläutert Rolf Winkel in seinem Beitrag »Gesetzliche Neuregelungen« in der »Arbeitsrecht im Betrieb« 2/2019 ab Seite 20.
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