Gesundheitswesen

Was sich bei Gesundheit und Pflege ändert

09. März 2020 Gesundheit, Pflege
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Quelle: © spuno / Foto Dollar Club

2020 sind zahlreiche Änderungen im Gesundheitswesen in Kraft getreten. Unser Experte Hans Nakielski erklärt in »Soziale Sicherheit« 2/2020 die Auswirkungen auf jeden Versicherten. So ist z.B. das Krankengeld durch das Anheben der Beitragsbemessungsgrenze gestiegen und Gesundheits-Apps kann es auf Rezept geben.

Wichtige Änderungen im Bereich Gesundheit und Pflege

Seit Anfang des Jahres sind zahlreiche Änderungen im Gesundheitswesen in Kraft getreten. Hier finden Sie eine Übersicht über wichtige bereits beschlossene Regelungen.

Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse

Die Einkommensgrenze für eine Familienversicherung ist angehoben: Kinder und Ehepartner von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) können über den Partner oder die Eltern bei AOK, Barmer & Co kostenlos familienversichert werden. Ihre monatlichen Einkünfte dürfen dabei ab 2020 maximal bei 455 Euro liegen. Bis Ende 2019 galt eine Einkommensgrenze von 445 Euro.

Wichtig zu wissen ist jedoch: Eine regelmäßige Beschäftigung mit Einkünften von mehr als 450 Euro ist versicherungspflichtig. Eine beitragsfreie Familienversicherung ist damit ausgeschlossen. Dies gilt auch für Jobs mit Einkünften zwischen 450,01 und 455 Euro.

Studentische Krankenversicherung

Pflichtversicherte Studierende sind seit dem 1. Januar 2020 unabhängig von der Anzahl der studierten Semester in der studentischen Krankenversicherung gesetzlich versichert. Bislang endete die Versicherungspflicht mit Abschluss des 14. Fachsemesters. Diese Semestergrenze ist nun entfallen.

Hinweis: Die Versicherungspflicht ist jedoch weiterhin auf das 30. Lebensjahr begrenzt.

Eine weitere Änderung betrifft die studentischen Krankenversicherungsbeiträge, die ab dem 1. August 2020 von 76,04 auf 76,85 Euro im Monat steigen (zuzüglich des kassenindividuellen Zusatzbeitrages und des Pflegeversicherungsbeitrages).

Höhere Festzuschüsse für Zahnersatz

Die Festzuschüsse zum Zahnersatz (u. a. Brücken, Kronen, Implantate) werden zum 1. Oktober 2020 von derzeit 50 auf 60 Prozent der Kosten der Regelversorgung erhöht. Patienten, die regelmäßig zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen und dies in ihrem Bonusheft lückenlos nachweisen können, erhalten künftig noch höhere Zuschüsse: Nach fünf Jahren nachgewiesener Vorsorgeuntersuchungen gibt es 65 Prozent, nach zehn Jahren 75 Prozent der Kosten der Regelversorgung. Eine versäumte Vorsorgeuntersuchung soll in begründeten Ausnahmen nicht zu einem Bonusverlust führen. Geregelt ist das im Terminservice- und Versorgungsgesetz, das bereits am 11. Mai 2019 in Kraft getreten ist.

Krankengeld

Anhebung der Höchstgrenze fürs Krankengeld: Wenn Versicherte durch eine Erkrankung längere Zeit (in der Regel mehr als sechs Wochen) arbeitsunfähig sind, haben sie Anspruch auf Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Das Krankengeld wird pro Kalendertag berechnet und richtet sich nach den individuellen Verhältnissen des Versicherten. Das jeweils gezahlte Höchstkrankengeld orientiert sich dabei an der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) zur GKV. Durch die Anhebung der BBG zum Jahreswechsel stieg das Höchstkrankengeld nun von 105,88 Euro (2019) auf 109,38 Euro pro Kalendertag.

Einheitliche Rufnummer für Bereitschaftsdienste und Termine

Bis zum 1. Januar 2020 mussten die Regelungen für schnellere Arzttermine und eine bundeseinheitliche Rufnummer umgesetzt werden, die bereits im Frühjahr 2019 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz beschlossen worden waren. Nun können Versicherte unter der Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116 117 auch Termine beim Arzt oder Psychotherapeuten erhalten. Die bundesweit kostenlose Nummer ist künftig rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche geschaltet. An sie können sich auch Patienten wenden, die unter akuten Beschwerden leiden. Wie dringend der Behandlungsbedarf ist, wird auf Basis eines medizinischen Ersteinschätzungsverfahrens ermittelt. Abgefragt werden dabei Geschlecht, Alter, Symptome und ggf. mögliche Vorerkrankungen. Je nach Dringlichkeit wird der Patient dann entweder an eine Arztpraxis, den ärztlichen Bereitschaftsdienst, die Notfallambulanz am Krankenhaus oder den Rettungsdienst vermittelt.

Gesundheits-Apps auf Rezept

Seit 2020 haben Versicherte erstmals einen Leistungsanspruch auf digitale Versorgungsangebote und -anwendungen, die mit dem Smartphone genutzt werden können. Gesetzliche Grundlage hierfür ist das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), das im Januar 2020 in Kraft trat.

Gesundheits-Apps können z. B. Blutzuckerwerte dokumentieren, Tagebücher über Symptome führen oder bei Migräne mit Verhaltensempfehlungen unterstützen. Voraussichtlich ab dem zweiten Quartal dieses Jahres werden Ärzte ihren Patienten Rezepte für solche Apps ausstellen können. Sie werden auf Kosten der Krankenkassen verschrieben.

Vorher sind jedoch erst noch einige Anforderungen zu erfüllen. Bis zum 31. März 2020 muss die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zunächst ein Sicherheitskonzept erarbeiten und dann zusammen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Hersteller solcher Apps zertifizieren. Nähere Regelungen zur Benennung der Anforderungen an Funktionstauglichkeit, Sicherheit, Qualität, Datenschutz und-sicherheit sowie zur Operationalisierung der rechtlichen Anforderungen legt das Bundesgesundheitsministerium in der Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung fest. Ein Referentenentwurf dazu liegt seit Mitte Januar vor.

Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Zum 1. Januar 2022 wird die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingeführt. Danach erstellt die Krankenkasse eine Meldung zum elektronischen Abruf durch den Arbeitgeber, sobald ein Arzt die Daten zur Arbeitsunfähigkeit (AU) übermittelt. Geregelt wurde das im Dritten Bürokratieentlastungsgesetz, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Der Arzt muss Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen allerdings weiterhin eine AU-Bescheinigung auf Papier aushändigen, mit der das Bestehen einer AU sowie die voraussichtliche Dauer nachgewiesen werden kann.

Impfpflicht gegen Masern

Die bislang freiwillige Masernschutzimpfung wird für viele bald zur Pflicht. Die entsprechenden Regelungen des Masernschutzgesetzes gelten ab dem 1. März 2020.

Bei Neuaufnahmen in eine Schule, einen Kindergarten oder eine Kindertagesstätte muss der Impfschutz bereits ab 1. März 2020 nachgewiesen werden. Ausnahmen gelten für unter Einjährige, weil sie noch nicht geimpft werden sollen, und für Menschen, die Impfungen nicht vertragen.

Kinder, die heute schon eine entsprechende Einrichtung besuchen, müssen bis zum 31. Juli 2021 – also erst Mitte nächsten Jahres – eine entsprechende Impfung nachweisen. Auch Lehrer, Erzieherinnen und andere Personen, die in entsprechenden Einrichtungen arbeiten müssen – soweit sie nach 1970 geboren sind – nachweisen, dass sie geimpft sind oder die Krankheit bereits durchlitten haben und damit immun sind. Das gilt auch für Personal in Gemeinschafts- und medizinischen Einrichtungen, wie z. B. in Krankenhäusern oder Arztpraxen. Nicht geimpftes Personal darf in Gemeinschafts- oder Gesundheitseinrichtungen keine Tätigkeiten aufnehmen.

Es wird keine zwangsweise Impfung geben. Dafür drohen Sanktionen bei einer Nicht-Impfung. Dann müssen Betroffene mit einem Bußgeld von bis zu 2500 Euro rechnen. Das droht vor allem Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen. Die Geldbuße kann aber auch gegen die Leitungen von Kindertagesstätten verhängt werden, die nicht geimpfte Kinder zulassen. Ein Bußgeld kommt auch in Betracht für nicht geimpftes Personal in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen oder Asylbewerberunterkünften und für die nicht geimpften Bewohner solcher Unterkünfte.

Ab dem 1. März 2020 können sich Patienten bei allen Ärzten – mit Ausnahme der Zahnärzte – gegen Masern impfen lassen. Auch eine elektronische Impfdokumentation soll zukünftig möglich werden.

Grippeimpfung

Grippeschutzimpfungen gibt es seit dem 1. März 2020 im Rahmen von Modellprojekten auch bei Apothekern. Eine Impferlaubnis erhalten die Apotheker, wenn sie eine spezielle Schulung absolviert haben. Darüber hinaus muss in den beteiligten Apotheken ein Impfraum mit entsprechender Ausstattung wie z. B. einer Notfallliege zur Verfügung stehen. Geimpft werden dürfen in den Modellprojekten nur volljährige Personen.

Mindestbindungsfrist bei Krankenkassen verkürzt

Das Verfahren zum Wechsel der gesetzlichen Krankenkasse wird für die Mitglieder einfacher, indem elektronische Meldeverfahren genutzt werden können. Die bisherige Mindestbindungsfrist bei einer Kasse wurde von 18 auf zwölf Monate verkürzt. Wenn eine Kasse ihren Zusatzbeitrag anhebt, haben die Versicherten nach wie vor sofort ein Sonderkündigungsrecht.

Online-Sprechstunden bei Ärzten

Niedergelassene Ärzte dürfen ab diesem Jahr auf ihren Internetseiten über eigene Online- bzw. Video-Sprechstunden informieren. Um über die Besonderheiten der Online-Sprechstunden aufzuklären, reicht es nun aus, wenn der Arzt das Aufklärungsgespräch mit dem Patienten in der Video-Sprechstunde führt. Bislang musste die Aufklärung bereits im Vorfeld schriftlich oder in der Arztpraxis erfolgen.

Neue Personaluntergrenzen für Pflegekräfte in Krankenhäusern

Um die Personalausstattung und die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte im Krankenhaus zu verbessern und die Qualität der Versorgung zu erhöhen, wurden ab 1. Januar 2020 Pflegepersonaluntergrenzen auch für die Bereiche Herzchirurgie, Neurologie, Neurologische Schlaganfalleinheiten (»Stroke Units«) und Neurologische Frührehabilitation eingeführt. Damit gelten nun Personaluntergrenzen in insgesamt acht pflegesensitiven Krankenhausbereichen; die Untergrenzen wurden 2019 bereits eingeführt für die Bereiche Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie. Zudem wurden zum Jahreswechsel die bereits bestehenden Untergrenzen angehoben. Die Untergrenzen sind als maximale Anzahl von Patienten pro Pflegekraft festgelegt.

Beispiel: Auf eine Pflegekraft in einer »Stroke Unit« dürfen künftig in der Tagesschicht maximal drei Patienten kommen. In der Nachtschicht sind es künftig fünf Patienten pro Pflegekraft.

Organspende: Entscheidungsbereitschaft wird gestärkt

Organspenden sind weiterhin grundsätzlich nur möglich, wenn der mögliche Organspender zu Lebzeiten eingewilligt hat oder sein nächster Angehöriger zugestimmt hat. Das am 16. Januar beschlossene und 2022 in Kraft tretende Gesetz zur Organspende soll aber die Bereitschaft stärken, sich für eine Organspende zu entscheiden. Vorgesehen ist unter anderem

  • Die Einrichtung eines bundesweiten Online-Registers beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.
  • Die Ausweisstellen müssen künftig Aufklärungsmaterial und Organspendeausweise aushändigen bzw. bei elektronischer Antragsstellung elektronisch übermitteln. Dabei wird auf die Möglichkeit, sich vor Ort oder später in das Online-Register einzutragen, hingewiesen.
  • Hausärzte können künftig bei Bedarf ihre Patienten alle zwei Jahre über die Organ- und Gewebespende ergebnisoffen beraten.
  • Grundwissen zur Organspende soll zudem in den Erste-Hilfe-Kursen im Vorfeld des Erwerbs eines Führerscheins vermittelt werden.

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Was sich sonst noch ändert, lesen Sie in der Fachzeitschrift »Soziale Sicherheit« 2/2020 S. 71 ff.

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