Wie der Betriebsrat faire Bezahlung für alle erreichte

Rotkreuzschwestern – bei diesem Begriff denken viele automatisch an karitativen Einsatz unter oft schwierigen Bedingungen. Vor dem geistigen Auge erscheinen aufopferungsvolle Frauen mit weißer Haube und Schürze, tätig in der medizinischen Pflege und Gesundheitsvorsorge.
Was viele nicht wissen: Bis zum Jahr 2016 waren Rotkreuzschwestern nach deutschem Recht keine Arbeitnehmerinnen, sondern unterlagen dem sogenannten Ordensprivileg. Sie waren Vereinsmitglieder des Deutschen Roten Kreuzes, arbeiteten auf Basis von Gestellungsverträgen in Krankenhäusern mit – allerdings ohne die Rechte von »normalen Arbeitnehmern« und in der Regel bezahlt unterhalb der für ihre Kollegen geltenden Tarifverträge.
Auch beim Landkrankenhaus in Coburg gab es seit dem Jahr 1903 diese Zusammenarbeit mit der örtlichen Rotkreuz-Schwesternschaft. Diese stellte an und setzte ihre Schwestern im Krankenhaus ein.
1999 kam es zu einer Rechtsform-Änderung mit massiven Auswirkungen. Aus dem Landkrankenhaus wurde die kommunale Klinikum Coburg GmbH. In diesem Zusammenhang vereinbarte die Schwesternschaft, dass ab diesem Zeitpunkt auch die männlichen Pflegekräfte ihr beizutreten hatten und beschloss, dass neue Vereinsmitglieder eine um 15 Prozent unter dem BAT beziehungsweise TVöD liegende Bezahlung erhalten.
Die neue Klinikleitung gründete eine eigene Service-GmbH, was zum Verlust der Tarifbindung der ungelernten und angelernten Kollegen führte. Die Krankenpflege- und Kinderkrankenpflegeschule wurde an die »BRK-Schwesternschaft« übertragen. Dies hatte zur Folge, dass die Jugend- und Auszubildendenvertretung abgeschafft wurde und schließlich folgte die Eingliederung des Klinikums in den kommunalen Verbund der REGIOMED Kliniken.
Betriebsrat kämpfte hartnäckig
Die ungleiche Bezahlung im Klinikum war der Aufhänger. Die Betriebsräte verstanden sich als Berater und Interessenvertreter für alle Mitarbeiter, ganz gleich ob sie zur GmbH, der Schwesternschaft oder der Service-GmbH zählten und öffneten auch die Betriebsversammlungen für alle Kolleginnen und Kollegen. Darüber hinaus dehnten sie den »Betriebsbegriff« nach BetrVG aus und interpretierten den Arbeitnehmerbegriff nach § 5 BetrVG wie folgt: »Schwesternschaft, Service-GmbH und Klinikum Coburg bilden einen gemeinsamen Betrieb – und wählen einen gemeinsamen Betriebsrat«. Mit diesem Ziel gingen sie in die Betriebsratswahlen 2002.
Doch die Wahl wurde vom Arbeitgeber erfolgreich angefochten, mit dem Ergebnis, dass Leiharbeitnehmer nicht mitzählen. Auch 2005 unterlagen die Betriebsräte noch mit dem Versuch, die Wahlberechtigung und Wählbarkeit von Rotkreuzschwestern durchzusetzen und damit auch Einfluss auf die Größe des Betriebsratsgremiums zu nehmen.
Erfolg auf »Nebenschlachtfeld«
Zum Umschwung kam es schließlich 2008 auf einem »Nebenschlachtfeld« und zwar im Rahmen des Pflegeförderprogramms der Bundesregierung. Das Gesetz sieht vor, dass Krankenhaus und Betriebsrat eine Vereinbarung treffen, in welcher der Betriebsrat die genaue Stellenmehrung durch das Pflegeförderprogramm dem Arbeitgeber bestätigt. Doch das Gremium widersetzte sich dieser Vereinbarung.
Der Arbeitgeber klagte sich durch alle Instanzen und vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) kam es schließlich zu einem Vergleich. Darin enthalten zwei wichtige Erfolge für die Betriebsräte:
1. Die eingesetzten Rotkreuzschwestern zählen bei der Größe des Betriebsrats mit.
2. Die Geschäftsführung sichert die Beteiligung des Betriebsrats in allen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG auch für die eingesetzten Rotkreuzschwestern zu.
Schwestern im TVöD
Auf Grundlage dieses Vergleiches fanden dann die Betriebsratswahlen 2014 statt. Der Betriebsrat des Klinikums Coburg ist der erste, der von Rotkreuzschwestern mitgewählt wird und in dem Rotkreuzschwestern Mitglied des Betriebsrats sind. Der Gestellungsvertrag wurde nach immer lauter werdenden Forderungen schrittweise geöffnet.
Seit 2017 sind alle 560 ehemaligen Rotkreuzschwestern direkt beim Klinikum beschäftigt und werden nach TVöD bezahlt.
Mehr dazu und warum der Betriebsrat des Klinikums Coburg seiner Zeit weit voraus war, erfahren Sie in dem Beitrag »Für faire Bezahlung« von Christof Herrmann, AiB 1/2018; Seite 52.
© bund-verlag.de (EMS)