Digitales Zugangsrecht

»Wir brauchen passgenaue Lösungen«

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Quelle: © funkyfrogstock / Foto Dollar Club

Gewerkschaften müssen mit Beschäftigten kommunizieren, sonst können sie ihre Aufgaben nicht wahrnehmen. Aber welche Möglichkeiten haben sie dazu in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt? Der Aushang am Schwarzen Brett und das Verteilen von Informationsmaterial im Betrieb helfen wenig, wenn sich ein Großteil der Beschäftigten im Homeoffice befindet. Wir sprechen darüber mit Isabel Eder von der IG BCE.

In Zeiten von Homeoffice und Kontaktbeschränkungen ist die Kommunikation mit den Beschäftigten schwerer möglich. Das gilt für Betriebsräte ebenso wie für Gewerkschaften. Angesichts der anstehenden Betriebsratswahlen, aber auch von Zukunftsthemen wie der digitalen und ökologischen Transformation ist eine aktive Interessenvertretung unerlässlich. Wie sich eine solche umsetzen lässt und was beim digitalen Zugang noch fehlt, verrät die Leiterin der Abteilung Mitbestimmung und Betriebsverfassung der IG BCE, Isabel Eder.

Seit gut einem Jahr kümmert Ihr Euch als IG BCE intensiv um das Thema »Digitales Zugangsrecht«. Welche Ziele verfolgt Ihr damit?

Das digitale Zugangsrecht ist durch die Pandemie mehr in unseren Fokus gerückt, aber wir haben uns auch schon vorher mit dem Thema befasst. Zum Beispiel haben wir in einem Unternehmen schon vor der Pandemie angefangen, ein digitales Zugangsrecht einzuklagen, weil wir nicht mehr alle Beschäftigten im Betrieb erreichen können.

Als Gewerkschaft wollen wir Mitglieder informieren und gut begleiten, deren Interessenvertretung wir schon sind, aber natürlich auch potenzielle Mitglieder von uns überzeugen. Das geht nur über direkten Kontakt. Wenn eine direkte Ansprache nicht möglich ist, brauchen wir andere Wege. Klar ist aber, dass Gewerkschaftsarbeit immer auch das direkte Gespräch ist, digitale Formate können das nur bedingt ersetzen.

Was hat Euch konkret veranlasst, das Thema anzupacken?

Ein Faktor war die Ausweitung von Homeoffice, mobiler Arbeit oder Remote Work, die in manchen Unternehmen auch vorher schon eine größere Rolle gespielt haben. Corona wirkt hier klar beschleunigend. Außerdem haben sich die Anforderungen an Kommunikation verändert, die Gewerkschaftsarbeit ist allgemein digitaler geworden, z. B. durch den Ausbau von Social-Media-Angeboten und den Einsatz von Videos und Sharepics in der Kommunikation. Für unsere Mitglieder haben wir daher vor einiger Zeit die IG BCE-App eingeführt: Die Kolleg:innen können damit direkt vom Handy auf Informationen zu den jeweils interessanten Themen zugreifen, an Umfragen teilnehmen und ihre Mitgliedsinformationen sehen.

Wie wollt Ihr einen digitalen Zugang zu den Beschäftigten erreichen?

Wir erwarten eine klare gesetzliche Regelung, die uns ein entsprechendes Informationsniveau bietet, wie das einst das Schwarze Brett oder der Rundgang durch den Betrieb ermöglicht hat. In der Diskussion dazu kamen oft Fragen zum Datenschutz, zur fehlenden Rechtsprechung und zur fehlenden gesetzlichen Grundlage auf. Deswegen war eine fachliche Auseinandersetzung zu dem Thema für uns sehr wichtig, weil wir natürlich verstehen, dass auch Unternehmen die Anforderungen von Compliance und Datenschutz einhalten müssen. Gute Unterstützung in der Diskussion war deshalb das Gutachten von Prof. Wolfgang Däubler für das Hugo Sinzheimer Institut (siehe Beitrag S. 8 ff). Auf dieses Gutachten können sich Gewerkschafts- wie auch Unternehmensseite genauso wie Betriebsräte stützen, die hier etwas regeln wollen, aber rechtliche Bedenken haben.

Wir waren auch mit der Politik schon im letzten Jahr im Austausch. Dass der Koalitionsvertrag das Thema aufgenommen hat, zeigt, dass unsere Botschaften angekommen sind und wir hoffen auf eine baldige Umsetzung. Hier sind wir mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und den anderen Mitgliedsgewerkschaften gemeinsam dran.

Was ist genau unter digitalem »Zugang« zu verstehen?

Zunächst einmal lässt der Wortlaut »Zugang« ja nicht erkennen, ob dieser nun digital oder physisch ausgestaltet ist. Es gab bislang einfach nur Rechtsprechung zum physischen Zutritt, weil nur diese Fragen an die Gerichte gestellt wurden. Das ändert sich gerade. Und insbesondere wegen der Änderungen zu den Sitzungen per Video- oder Telefonkonferenz, die jetzt durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Eingang gefunden haben, ist nicht einzusehen, warum »Zugang« nicht auch einen digitalen Zugang bedeuten soll – insbesondere, da die Rechtsprechung viele konkrete Aussagen getroffen hat, die für ein digitales Zugangsrecht sprechen

Für uns als IG BCE bedeutet das: Wir gehen davon aus, dass wir als Gewerkschaft die Möglichkeit haben müssen, über die betriebsüblichen Kanäle mit Beschäftigten Kontakt aufzunehmen. »Betriebsüblich« ist hier das entscheidende Stichwort. Wir wollen eine im Verhältnis zum Arbeitgeber gleichberechtigte Kommunikation – nicht im Ausmaß, aber in der Kommunikationsform. Wenn ein Betrieb nur mit Yammer arbeitet, dann braucht die Gewerkschaft einen Zugang zu diesem System. Kommuniziert ein Betrieb überwiegend per E-Mail, dann brauchen wir einen Zugang zu den dienstlichen Mail-Adressen.

Wir dürfen als Gewerkschaften nicht digital ausgesperrt werden. Wichtig ist außerdem, dass auf der digitalen Ebene keine Zensur erfolgt, also beispielsweise Inhalte durch den Arbeitgeber verändert werden, bevor sie ins Netz gestellt werden. Gleichzeitig muss Kommunikation im Unternehmen natürlich geplant werden und es können nicht alle so kommunizieren, wie es ihnen gefällt. Hier wird es noch Klärungen im Einzelfall geben müssen, aber ich bin zuversichtlich, denn wir verständigen uns ja auch zu Besuchen in den Betrieben und zu Tarifaktionen. Kommunikation ist also auch hier der Schlüssel. (...)

Mehr lesen?

Das vollständige Interview mit Isabel Eder lesen Sie in »Computer und Arbeit« 2/2022. Weitere Highlights:

  • MITBESTIMMUNG: »Nudging« – Anreiz oder Manipulation?
  • COMPUTER: Was kann das neue Windows 11?
  • BESCHÄFTIGTENDATEN: Die 5 wichtigsten Urteile 2021

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