Rufbereitschaft

Zeitgutschrift als Entlohnung für Rufbereitschaft möglich

29. März 2021
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Quelle: © Stauke / Foto Dollar Club

Dreht sich ein Rechtsstreit um die Frage, ob eine einmalige Zeitgutschrift zur Tilgung mehrerer Verbindlichkeiten – hier für Arbeit in Rufbereitschaft und Feiertagsarbeit – ausreichen kann, dann ist der Wille des Arbeitgebers auszulegen und zu klären, worauf sich dessen Tilungsbestimmung bezieht. Das geht aus einem Urteil des LAG-Rheinland-Pfalz hervor.

Im Rechtsstreit ging es um die Frage, ob und in welcher Höhe eine Gutschrift von Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers den Anspruch auf Entgelt für die »Arbeit an sich« im Rahmen einer Rufbereitschaft getilgt hat.

Der Kläger ist beim Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz in einer Autobahnmeisterei als Vorarbeiter beschäftigt und fällt unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), in dem geregelt ist, dass neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung bei Überstunden und an Feiertagen Zeitzuschläge in Höhe von 30 % bis 135 % zu zahlen sind.

Der Kläger war am 1. Mai 2015 von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr für Rufbereitschaft eingeteilt und wurde von 14.15 Uhr bis 19.30 Uhr (für fünf Stunden und 15 Minuten) zur Arbeit außerhalb seines Aufenthaltsorts im Sinne des § 7 Abs. 4 TV-L herangezogen. Dieser Arbeitseinsatz lag zeitlich außerhalb seiner Regelarbeitszeit, die anzunehmen wäre, wenn der 1. Mai kein Feiertag wäre.

Erhalten hat der Kläger Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 5 Satz 5 2. Alt. TV-L für Überstunden, § 8 Abs. 1 a) TV-L (30 %) und für Feiertagsarbeit mit Freizeitausgleich, § 8 Abs. 1 d) TV-L (35 %), zudem wurden dem Arbeitszeitkonto gerundet sechs Stunden für fünf Stunden und 15 Minuten als Freizeitausgleich gutgeschrieben.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit eine Zeitgutschrift zustehe, gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 TV-L neben den Zeitzuschlägen als Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung – »zahlbar« in Form einer weiteren Zeitgutschrift. Der Arbeitgeber vertritt die Auffassung, der Kläger fordere für den selben Arbeitseinsatz zweimal Freizeitausgleich. Dies sei aber nach dem Tarifvertrag und der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeschlossen.

Das sagt das Gericht

Das LAG Rheinland-Pfalz hat der Berufung des Arbeitgebers stattgegeben. Der Anspruch auf Gutschrift von 5,25 Stunden auf das Jahresarbeitszeitkonto sei nach § 8 Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 TV-L mit dem Entgelt für Überstunden zu bezahlen, und zwar unabhängig, ob es sich tatsächlich um zusätzlich geleistete Arbeit beziehungsweise Überstunden im Tarifsinn handele. Der Arbeitgeber schuldet sowohl das Überstundenentgelt für die tatsächliche Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaft als auch den Überstundenzuschlag. Das folgt aus dem Wortlaut der tariflichen Regelung, § 8 Abs. 5 Satz 7 TV-L, wonach der Kläger entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 4 TV-L statt des nach § 8 Abs. 5 Satz 5 TV-L zu zahlenden Entgelts eine nach § 10 Abs. 3 Satz 2 TV-L iVm. § 3 Abs. 2 Nr. 1.2. Buchst. b DV Nr. 33 für sämtliche Entgeltbestandteile zulässige Gutschrift in Zeit auf seinem Arbeitszeitkonto beanspruchen kann.

Das beklagte Land hat den Anspruch des Klägers auf Gutschrift von 5,25 Stunden auf seinem Jahresarbeitszeitkonto für von ihm geleistete Arbeit in Rufbereitschaft erfüllt, indem es insgesamt sechs Stunden als Freizeitausgleich (für geleistete Arbeit) gutgeschrieben hat. Damit hat es diese Verbindlichkeit per Leistungsbestimmung getilgt. Gemäß § 133, 157 BGB sind Dokumente wie der Buchungsauszug hinsichtlich des Jahresarbeitszeitkontos des Klägers für den Monat Mai 2015 entsprechend auszulegen. Der Arbeitgeber hat im Lohnkonto des Klägers für Mai 2015 notiert, dass dieser am 1. Mai 2015 sechs Stunden gemäß § 8 Abs. 5 Satz 5 Alt. 2 TV-L 30 % zuschlagspflichtige Arbeit in Rufbereitschaft geleistet hat.

Die Auffassung des Klägers, dass ihm zusätzlich für die Zeitgutschrift, die er alternativ zur Auszahlung des Überstundenentgelts erhalten hat, auch noch einen Anspruch auf Freizeitausgleich für die am Feiertag geleistete Arbeit (gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d Spiegelstrich 2 TV-L) zusteht, hat das Gericht nicht weiter erörtert, da lediglich der erhaltene Freizeitausgleich streitgegenständlich war.

Das muss der Betriebsrat wissen

Der Fall zeigt, dass die teils komplizierten Regelungen für Freizeitausgleich, egal ob für Überstunden oder für Feiertagsarbeit, ganz genau auseinandergehalten werden müssen. In diesem Fal hat das LAG Rheinland-Pfalz sogar offen gelassen, ob es aufgrund des Wortlauts im TV-L nicht möglicherweise einen Anspruch des Klägers geben könnte, für diese besondere Konstellation der Arbeit außerhalb der regulären Arbeitszeit während der Rufbereitschaft an einem Feiertag mehrere Vergütungen plus Zuschläge zu verlangen: für Überstunden und die Feiertagsarbeit. 

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

LAG Rheinland-Pfalz (03.11.2020)
Aktenzeichen 6 Sa 46/20
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