Arbeitnehmerhaftung

Zeugnisfälschung kommt teuer zu stehen

07. Dezember 2020
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Quelle: © Gina Sanders / Foto Dollar Club

Sich mit unechten Zeugnissen um eine Stelle zu bewerben kann teuer werden. Dies musste ein Jura-Studienabbrecher erfahren, der zwei Examenszeugnisse fälschte und sich dreimal nacheinander als Rechtsanwalt einstellen ließ. Das Amtsgericht München verhängte zwei Jahre Bewährungsstrafe, zudem muss der Täter 325.000 Euro Gehalt ersetzen.

Darum geht es

Der Angeklagte hatte sein Jurastudium nach sechs Semestern ohne Abschluss abgebrochen. Er fälschte im Münchner Notariat seines früheren Ausbilders ab November 2015 Beglaubigungen juristischer Staatsexamenszeugnisse, in denen er sich für das Erste Examen 12,48 Punkte und für das Zweite Examen 11,64 Punkte bescheinigte. Solche Noten werden in Bayern nur von einem kleinen einstelligen Prozentanteil der Kandidaten erreicht.

Mit den Fälschungen erhielt der Angeklagte die Rechtsanwaltszulassung. Er erzielte vom April 2016 bis März 2018 ein Bruttogehalt von mindestens 193.042 Euro als Rechtsanwalt bei einer Großkanzlei. Danach arbeitete er als Syndikus bei einer Versicherungsunternehmen im Bereich Unternehmensrecht und erhielt von April 2018 bis September 2019 ein Gehalt von 132.600 Euro brutto.

Der Schwindel flog erst auf, als er bei einer dritten Kanzlei ab 01.01.2020 einen Vertrag zu einem Anfangsgehalt von jährlich 120.000 Euro brutto abschloss. Dort fiel auf, dass sein gefälschtes Zeugnis auf den Pfingstmontag 2015 datiert war. Die Kanzlei fragte deshalb beim Justizprüfungsamt an und erstattete anschließend Strafanzeige.

Der Angeklagte, der nun 35 Jahre alt ist und eine Ausbildung im Handwerk angefangen hat, räumte vor Gericht seine Taten ein. Sein letztes Wort endete mit der Aussage: »Ich werde mein Leben lang Buße tun.«

Das sagt das Gericht

Das Amtsgericht (AG) München verurteilte den Studienabbrecher zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, und zur Zahlung von 325.642 Euro an Wertersatz. Die Freiheitsstrafe auf Bewährung verhängte das Gericht wegen Betruges und versuchten Betruges in sechs und wegen Urkundenfälschung in 22 Fällen.

Betrug lag aus Sicht des Gerichts in der Tat vor, denn als der Angeklagte die Arbeitsverträge unterzeichnete, wusste er, dass ihm die erforderliche fachliche Qualifikation fehlte. Er konnte somit im vorliegenden Fall zum jeweiligen Zeitpunkt der Gegenzeichnung der Arbeitsverträge unter rechtlichen Gesichtspunkten keine gleichwertige Gegenleistung für seine Vergütung erbringen. Es komme hier somit auch nicht darauf an, ob er zufriedenstellende Leistungen erbracht habe.

Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht, dass dieser bereits von Beginn an vollumfänglich geständig und kooperativ war und Reue gezeigt hat. Der Angeklagte sei bisher nicht vorbestraft.

Eine Bewährungsstrafe musste das Gericht dennoch verhängen, da den Arbeitgebern durch die Gehaltszahlung ein hoher Schaden in Höhe von 325.642 Euro eingetreten sei und auch eine weitere hohe Vermögensgefährdung vorlag. Zudem sei der Folgeschaden von mindestens 495.000 Euro zu berücksichtigen. Dieser Betrag hatte die geschädigte Kanzlei an Mandanten zurückgezahlt, für die der Angeklagte tätig war.

Zudem habe der Beruf des Rechtsanwalts habe in der Gesellschaft einen besonderen Stellenwert und genieße besonders hohes Vertrauen, welches durch die Tat erschüttert wurde. Daher sei für die Strafzumessung auch die Verteidigung der Rechtsordnung zu beachten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt haben.

Hinweis für die Praxis

Zeugnisse zu fälschen ist kein Kavaliersdelikt. In diesem Fall kam erschwerend hinzu, dass die Zeugnisse Voraussetzung für die Berufszulassung als Rechtsanwalt waren. Da diese Zulassung wegen der gefälschten Zeugnisse nichtig war, mussten die Arbeitgeber auch alle Handlungen des Arbeitnehmers rückabwickeln, die nur mit der Berufszulassung gültig waren - dadurch entstand der hohe Folgeschaden.

Ist der Beruf nicht zulassungspflichtig, können Straf- und Arbeitsgericht und auch der Arbeitgeber eine gute oder zufriedenstellende Arbeitsleistung auf der »erschlichenen« Stelle zugunsten des Arbeitnehemers werten, aber in diesem Fall war dies schon wegen der Zulassungspflicht ausgeschlossen.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

AG München (23.11.2020)
Aktenzeichen 823 Ls 231 Js 185686/19
Quelle: Pressemitteilung des AG München Nr. 54/2020 v. 04.12.2020
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