Begünstigungsverbot

Zulagen für Betriebsräte sind erlaubt

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Quelle: © Sailorr / Foto Dollar Club

Das Gewähren einer pauschalierten Zulage im Arbeitsvertrag eines freigestellten Betriebsrats verstößt nicht gegen das Begünstigungsverbot der Betriebsverfassung.

Ein seit 1988 beschäftigtes und seit 11 Jahren freigestelltes Betriebsratsmitglied hatte 2011 im Rahmen einer Eingruppierung eine Ergänzung zu seinem Arbeitsvertrag abgeschlossen. Es wurde vereinbart, dass er pauschal eine variable Zulage in Höhe von brutto 395,89 Euro und eine Schichtzulage in Höhe von brutto 124,55 Euro monatlich bekommt.  Der Arbeitgeber hatte die Zahlung der Zulagen 2014 eingestellt, dies wollte der Betriebsrat nicht hinnehmen und klagte. Zum einen wollte er generell eine höhere Entgeltgruppe, zum anderen klagte er wegen der Bezahlung der variablen Zulage und der Schichtzulage. Er verlor bei der Eingruppierung und der Schichtzulage, gewann aber bei der variablen Zulage. Der Arbeitgeber muss diese weiter bezahlen.

Wie werden freigestellte Betriebsräte vergütet?

Das BetrVG gibt vor, wie Betriebsräte zu vergüten sind. Die Frage der richtigen Entlohnung ist in der Praxis ein Dauerbrenner. Nicht selten sind Betriebsräte zu 100 Prozent freigestellt und dies über Jahre oder gar Jahrzehnte, so dass über die Frage, was als Lohn richtig ist, heftig gestritten wird. Im Rahmen des BetrVG gelten das sogenannte Ehrenamtsprinzip und das Lohnausfallprinzip.

Das Ehrenamtsprinzip (§ 37 Abs. 1 BetrVG) besagt:  Betriebsräten darf keine Vergütung für die Wahrnehmung ihres Amtes zufließen. Das Lohnausfallprinzip (§ 37 Abs. 4 BetrVG) bedeutet: Es muss das Arbeitsentgelt weiter gezahlt werden, das ohne die Betriebsratstätigkeit bei Erbringung der Arbeitsleistung erzielt worden wäre. Das Betriebsratsmitglied wird während der Betriebsratstätigkeit daher so bezahlt, als ob er seiner bisherigen Arbeit weiter nachgehen würde. Insoweit gilt ein Benachteiligungsverbot, weil das Entgelt von Betriebsratsmitgliedern während der Amtszeit und ein Jahr danach nicht geringer bemessen werden darf, als das der  vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Mit dieser Definition tut man sicher allerdings oft sehr schwer. Wer ist vergleichbarer Arbeitnehmer? Und was ist die betriebsübliche berufliche Entwicklung?

Orientierung an vergleichbaren Mitarbeitern

Die Entlohnung orientiert sich an Mitarbeitern im Betrieb, die nicht freigestellt sind und wird mit dem Lohn des Betriebsrates verglichen. Wer vergleichbarer Arbeitnehmer ist, muss am Ausgangspunkt festgestellt werden. Es gilt der Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes – das heißt, diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt ähnliche oder gleich qualifizierte Tätigkeiten mit gleicher beruflicher und persönlicher Qualifikation ausüben, können herangezogen werden. Oft sind solche Arbeitnehmer aber im Betrieb schon ausgeschieden oder in Rente gegangen, dann werden Arbeitnehmer herangezogen, die am ehesten vergleichbar sind. Schon diese Punkte sind bei einer Klage rechtlich und auch für dem tatsächlichen Vortrag des Arbeitnehmers schwierig. Gibt es dann einen wirklich vergleichbaren Arbeitnehmer, wenden Arbeitgeber oft ein, dass dieser eine betriebsunübliche berufliche Entwicklung gemacht hat. Damit treten sie dem Lohnanspruch des Betriebsrats entgegen. Hier gilt auf jeden Fall: Betriebsüblich ist die Entwicklung der vergleichbaren Arbeitnehmer, wenn diese im Betrieb eine normale betriebliche und personelle Entwicklung genommen haben.

Keine Begünstigung für den Betriebsrat

Neben dem Benachteiligungsverbot in § 78 S. 2 BetrVG gibt es aber auch die andere Seite: Das ebenso in § 78 S. 2 geregelte Begünstigungsverbot. Die Betriebsratsmitglieder dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht begünstigt werden. Dies gilt auch für den Lohn und die berufliche Entwicklung.

Gericht kappt Schichtzulage

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hatte im vorliegenden Fall die Schichtzulage wegen des Begünstigungsverbotes nicht zugesprochen. Die Vereinbarung im Arbeitsvertrag verstößt dagegen. Der Betriebsrat hatte den Schichtleiter als berufliche Entwicklung zugrunde gelegt. Dieser machte jedoch keinen Schichtdienst im Betrieb. Fehlt es wie hier, an einer Verbindung zwischen Zulage und vergleichbarer Tätigkeit, wird der Betriebsrat unzulässig begünstigt. Der klagende Betriebsrat unterlag hier, gewann aber bei der variablen Zulage.

Variable Zulage wird vom Gericht zugesprochen

Das LAG sprach dem Betriebsrat die Zulage zu, weil er oft Mehrarbeit und Sonntagsarbeit mache und damit ein Bezug zu seiner Tätigkeit vorhanden war. Es lag keine Begünstigung durch die variable Zulage vor, der Arbeitgeber muss diese weiter bezahlen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig (Aktenzeichen 7 AZR - 206/17).

Praxistipp:

Bei einem gerichtlichen Streit muss das Betriebsratsmitglied nachweisen, welche Arbeitnehmer bei Beginn der Betriebsratstätigkeit gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeübt haben. Auch muss bewiesen werden, dass diese fachlich und persönlich vergleichbar qualifiziert waren. Daher sollte dies mit erstmaliger Übernahme des Betriebsratsamtes dokumentiert und Beweise gesichert werden.

In den Jahren als Betriebsrat sollte die berufliche Entwicklung und Entlohnung der vergleichbaren Arbeitnehmer ebenso dokumentiert werden.

Es kann einfacher sein, das Vorgehen einer zukünftigen Gehaltsanpassung in einer Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. Aber Vorsicht: Werden die falschen Kriterien für die Vergleichbarkeit zugrundegelegt, kann das auch zu Nachteilen führen. Daher sollte man sich vorher auf jeden Fall rechtlich beraten lassen.

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Hessen (20.02.2017)
Aktenzeichen 7 Sa 513/16
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für Betriebsräte vom 6.12.2017.
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