Nachtarbeit

Zuschläge für Nachtarbeit vor dem EuGH

11. Dezember 2020
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Quelle: © Sven Hoppe / Foto Dollar Club

Nachdem das BAG schon entschieden hat, dass Arbeitnehmer Anspruch auf Gleichbehandlung bei Nachtzuschlägen haben, stellt sich die Frage, ob Tarifverträge, die regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit unterschiedlich vergüten, mit dem Europarecht vereinbar sind. Diese Frage legt das BAG dem Europäischen Gerichtshof vor.

Darum geht es

Wie berichtet, hat das BAG entschieden, dass Arbeitnehmer, die Nachtarbeit im Schichtmodell leisten, die Anpassung ihres Nachtzuschlags nach oben verlangen können, wenn der Tarifvertrag Nachtarbeit außerhalb des Schichtsystems mit einem doppelten Zuschlag vergütet (BAG 9.12.2020 – 10 AZR 334/20). In einem ähnlich gelagerten Fall legt das BAG dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die europarechtlichen Fragen zur Klärung vor.

Die Arbeitnehmerin leistete Nachtarbeit im Schichtbetrieb in einem Unternehmen der Getränkeindustrie. Auf ihr Arbeitsverhältnis ist der Manteltarifvertrag der Erfrischungsgetränke-Industrie anzuwenden. Danach erhielt die Arbeitnehmerin einen Nachtarbeitszuschlag von 20 Prozent der Stundenvergütung. Für unregelmäßige Nachtarbeit legt der Tarifvertrag aber einen Zuschlag von 50 % fest. Die Arbeitnehmerin erhob Klage auf den höheren Zuschlag. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung bestehe nicht.

Das sagt das Gericht

Nachdem das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg der Klage teilweise stattgegeben hat, stellt der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts dem EuGH nach der Auslegung von Unionsrecht. Insbesondere möchte das BAG wissen, ob Tarifklauseln, die zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit differenzieren, mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar sind.

Diese Fragen stellt das BAG:

  1. Führen tarifvertragliche Regelungen die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG im Sinn von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) durch, wenn sie unterschiedlich hohe Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit enthalten?
  2. Ist eine tarifvertragliche Regelung gleichbehandlungswidrig nach Art. 20 der Charta, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht, wenn damit neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Nachtarbeit auch Belastungen wegen der schlechteren Planbarkeit der Arbeitszeit ausgeglichen werden sollen?
     

Diese Fragen stellen sich auch für eine große Zahl von anderen Tarifverträgen. Daher werden die Entscheidung des EuGHs und die auf dieser Basis ergehenden Urteile des BAG auch für viele Arbeitnehmer von Bedeutung sein.

Lesetipp:

Das BAG folgt in seinem Urteil der arbeitswissenschaftlichen Erkenntnis, dass Nachtarbeit im Schichtdienst gesundheitlich mindestens ebens belastend ist wie gelegentliche Nachtarbeit und deswegen mit gleichen Zuschlägen auszugleichen ist. Diese Argumentation, die sicher noch zur Überprüfung weiterer Tarifverträge führen wird, haben die Arbeitsschutz-Experten Wolfhart Kohte, Thomas Langhoff und Rolf Satzer in einem aktuellen »Gutachten zu Nachtarbeitszuschlagsregelungen« zusammengefasst. Hier können Sie das Gutachten bestellen!

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (09.12.2020)
Aktenzeichen 10 AZR 332/20 (A)
BAG, Pressemitteilung vom 9.12.2020
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