Massenentlassung

EuGH stärkt Rechte bei Massenentlassung

17. November 2015

Ob der Schwellenwert für eine Massenentlassung erreicht ist, hängt nicht nur davon ab, wieviele Kündigungen der Arbeitgeber ausgesprochen hat. Auch Aufhebungsverträge zählen mit, wenn der Arbeitnehmer sich zuvor geweigert hat, einer erheblichen Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen zuzustimmen – so der Europäische Gerichtshof.

Der Sachverhalt:

Im Ausgangsverfahren geht es um die Auslegung des spanischen Massenentlassungsrechts. Der Kläger ist ein gekündigter Arbeitnehmer, der geltend macht, das beklagte Unternehmen hätte das Verfahren für eine Massenentlassung durchführen müssen. Ein solches Verfahren schreibt § 17 KSchG auch in Deutschland vor. Die spanischen und deutschen Vorschriften beruhen auf der europäischen Massenentlassungsrichtlinie (Richtlinie 98/59/EG vom 20.07.1998).

Der Kläger machte geltend, der maßgebliche Schwellenwert sei erreicht. Auch die Entlassungen befristet Beschäftigter und die Beendigung von Arbeitsverträgen durch Aufhebungsverträge seien zu berücksichtigen. Zu diesen Aufhebungsverträgen sei es nur deshalb gekommen, weil der Beklagte das Festgehalt der Beschäftigten um 25 Prozent haben kürzen wollen, womit Kolleginnen und Kollegen nicht einverstanden gewesen seien.

Das mit der Sache befasste spanische Gericht legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob auch befristet beschäftigte Arbeitnehmer zu den »in der Regel« im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern i.S.d. Massentlassungsrichtlinie gehören. Weiter fragte das spanische Gericht, ob auch die Aufhebung eines Arbeitsvertrags eine Entlassung im Sinne der Richtlinie sein kann. Der EuGH bejahte beide Fragen.

Die Gründe:

Auch Arbeitnehmer mit einem für eine bestimmte Zeit oder Tätigkeit geschlossenen Vertrag gehören zu denjenigen, die gemäß der Richtlinie 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen »in der Regel« in dem Betrieb beschäftigt sind.

Andernfalls bestünde die Gefahr, dass allen Arbeitnehmern des Betriebs die ihnen durch die Richtlinie eingeräumten Rechte vorenthalten würden, was die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie beeinträchtigen würde. Allerdings sind Arbeitnehmer, deren Verträge durch regulären Ablauf enden, im Hinblick auf die Feststellung, ob eine »Massenentlassung« i.S.d. Richtlinie vorliegt, nicht zu berücksichtigen.

Aufhebungsvertrag zählt als Entlassung

Eine »Entlassung« nach der Richtlinie liegt überdies auch vor, wenn ein Arbeitgeber einseitig die Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers verschlechtert und es daraufhin zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag kommt. Der Begriff der Entlassung darf nach der Zielsetzung der Richtlinie, die insbesondere den Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen verstärken soll, nicht eng ausgelegt werden und muss daher auch Fälle umfassen, in denen Arbeitnehmer in anderer Weise als durch eine Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis gedrängt werden.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht.

Pressemitteilung des EuGH (deutsch) .

Quelle:

EuGH, EuGH, Urteil vom 11.11.2015
Aktenzeichen Rs. C-422/14
EuGH, Pressemitteilung vom 11.11.2015
(c) bund-verlag.de (mst)

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