Bewerbungsunterlagen

Arbeitgeber hat Auskunftspflicht bei Vorauswahl durch Recruitment-Center

09. April 2013

Bedient sich der Arbeitgeber bei der Personalgewinnung interner Recruitment-Center, so ist er im Rahmen der Anhörung nach § 99 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat Auskunft über die Person aller Bewerber und deren Bewerbungsunterlagen zu erteilen.

Der Fall:
Die Arbeitgeberin unterhält 390 Filialen. Ihr Verkaufsgebiet ist in 15 Regionen eingeteilt, welchen jeweils ein eigenes Recruitment-Center angegliedert ist.

Die Arbeitgeberin nimmt nur noch Online-Bewerbungen entgegen. Die Filialleiter teilen dem jeweils zuständigen Recruitment-Center die zu besetzenden Stellen mit. Die eingehenden Bewerbungen werden dort geprüft. Die Bewerbungen, die die geforderten Kriterien erfüllen, werden der Filialleitung übermittelt. Diese trifft die Auswahlentscheidung und führt das Anhörungsverfahren nach § 99 BetrVG durch, wobei sie den Betriebsrat über alle bei ihr eingegangenen Bewerbungen informiert und ihm alle ihr vorliegenden Bewerbungsunterlagen zur Verfügung stellt.

Der Betriebsrat hält dies für unzulässig. Er verlangt, dass ihm die Unterlagen aller Bewerber zur Verfügung gestellt werden. Im Recruitment-Center finde bereits eine Vorauswahl und somit eine Personalentscheidung im Sinne von § 99 BetrVG statt, bei der er zu beteiligen sei.

Die Entscheidung:
Das LAG gab dem Betriebsrat recht.

Lässt der Arbeitgeber eingehende Bewerbungen durch eine zentrale Personalabteilung bzw. ein internes Recruitment-Center sichten, ist er im Rahmen der Anhörung nach § 99 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat Auskunft über die Person aller Bewerber und deren Bewerbungsunterlagen zu erteilen.

Bei dem Recruitment-Center handelt es sich nicht um eine Art der Personalvermittungsstelle. Denn das Recruitment-Center darf eine Vorauswahl der eingehenden Bewerber treffen und einen Besetzungsvorschlag unterbreiten, um beispielsweise die bundeseinheitlichen Unternehmenskonzepte zu wahren. Daher hat der Betriebsrat im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts nach § 99 Abs. 1 BetrVG Anspruch auf Auskunft über alle Bewerber nebst Aushändigung der entsprechenden Bewerbungsunterlagen.

Ansonsten hätte es die Arbeitgeberin in der Hand, den Umfang der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats durch Zwischenschaltung einer internen Personalbewerbungszentrale zu beschränken. Die „Vorauswahl“ durch das Recruitment-Center führt zu einer objektiven Umgehung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Einstellungen und ist damit rechtswidrig. Dabei kommt es unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Mitbestimmungsrechte nicht darauf an, dass die praktizierte Verfahrensweise bei der mutmaßlichen Fülle der eingehenden Bewerbungen effizient und sinnvoll ist.

Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Arbeitgeber ein externes Personalberatungsunternehmen damit beauftragt, für ihn eine konkrete Stelle per Annonce oder Online auszuschreiben und aufgrund der eingehenden Bewerbungsunterlagen ihm konkrete Besetzungsvorschläge zu unterbreiten. Hier hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur Auskunft über die Bewerber zu geben, die ihm vom Personalberatungsunternehmen vorgeschlagen wurden.

Quelle:
LAG Schleswig- Holstein, Beschluss vom 29.11.2012,
Aktenzeichen: 5 TaBV 8/12

(c) bund-verlag.de (ts)

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