Tendenzbetrieb

Betriebliche Mitbestimmung beim Blutspendedienst

22. Juni 2015

Ein Blutspendedienst stellt auch bei anerkannter steuerlicher Gemeinnützigkeit keinen Tendenzbetrieb im Sinne des BetrVG dar. Das Unternehmen muss auf Verlangen des Betriebsrats einen Wirtschaftsausschuss bilden. Diese Entscheidung des BAG hat das Bundesverfassungsgericht nun bestätigt.

Die Beschwerdeführerin betreibt einen Blutspendedienst in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH); sie ist steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt und den internationalen Grundsätzen der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung verpflichtet. Das gesammelte menschliche Blut wird von ihr medizinisch getestet, aufbereitet und anschließend entgeltlich an Krankenhäuser oder Ärzte abgegeben.

Arbeitgeberin will keinen Wirtschaftsausschuss

Im Unternehmen besteht ein Betriebsrat. Auf Verlangen des Betriebsrats wurde ein Wirtschaftsausschuss im Sinne von §§ 106 ff BetrVG gebildet. Es kam zu Auseinandersetzungen über die Informationsrechte des Ausschusses. Die Arbeitgeberin vertrat den Standpunkt, als karitatives Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 Abs, 1 Nr. 1 BetrVG sei sie von der Bildung eines Wirtschaftsausschusses befreit.

Im Rechtsstreit hatte das BAG die Tendenzeigenschaft der Beschwerdeführerin verneint. Der Begriffs »karitativ« setze voraus, dass Dienst des Betriebs direkt den leidenden Menschen zugutekommen muss. Daran fehle es bei einem Blutspendedienst, der seinerseits Krankenhäuser beliefert ( BAG, Beschluss vom 22.5.2012 - 1 ABR 7/11, vgl. aib-web-de, Meldung vom 13.02.2013 ).

BVerfG bestätigt Entscheidung des BAG

Dagegen legte die Arbeitgeberin zuletzt noch Verfassungsbeschwerde ein, allerdings ohne Erfolg. Denn die Entscheidung des BAG, den Blutspendedienst nicht als karitativen Tendenzbetrieb anzuerkennen, ist mit dem Grundgesetz vereinbar, befand das BVerfG. Die 3. Kammer des Ersten Senats nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist nicht verletzt

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, in ihren Grundrecht auf religiöse bzw. weltanschauliche Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) verletzt zu sein, ist ihre Beschwerde nicht hinreichend begründet.

Denn die Betreiberin des Blutspendedienstes hatte sich nie darauf berufen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie als Einrichtung einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft tätig würde.

Sie wird von einer übergreifend karitativ-humanitären Bestimmung geleitet. Eine religiöse oder weltanschauliche Dimension ist jedoch kein bestimmendes Element ihrer Tätigkeit.

BAG verstößt nicht gegen Willkürverbot

Das BAG hat mit seiner Entscheidung auch nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzt. Gegen den Gleichheitssatz wird nicht bereits dann verstoßen, wenn die angegriffene Rechtsanwendung eines Fachgerichts fehlerhaft ist.

Hinzukommen muss vielmehr, dass die Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht.

Eingeschränkte Mitbestimmung ist der Ausnahmefall

Das BAG folgt mit seiner engen Auslegung des Merkmals der karitativen Tätigkeit durch das Bundesarbeitsgericht anerkannten Grundsätzen. Die Regelung normiert eine Ausnahme von der gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten der betrieblichen Mitbestimmung.

Es ist insofern nicht zu beanstanden, wenn das BAG davon ausgeht, die Ausnahme von der Mitbestimmung greife nur, wenn bei einer karitativen Tätigkeit der Dienst an leidenden Menschen direkt erbracht wird. Auch spezielle Freiheitsrechte zwingen hier nicht zu einer Ausnahme von der betrieblichen Mitbestimmung.

Kein Eingriff in die Berufsfreiheit des Unternehmers

Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Die im Betriebsverfassungsgesetz normierte Mitbestimmung ist mit Blick auf den sozialen Bezug des Unternehmerberufs, der nur mit Hilfe anderer ausgeübt werden kann, durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Vorliegend fehlen auch jedwede Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin durch die Bildung eines Wirtschaftsausschusses in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde.

Quelle:
BVerfG, Beschluss vom 30.04.2015
Aktenzeichen 1 BvR 2274/12
BVerfG, Pressemitteilung Nr. 44/2015 vom 17.06.2015
© bund-verlag.de (ck)

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