Kündigung

Chef muss Wiedereingliederung prüfen

06. November 2015

Die Kündigung eines für lange Zeit erkrankten Arbeitnehmers kann unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber zuvor kein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführt. So das Arbeitsgericht Berlin im Falle eines Arbeitnehmers mit einer Tumorerkrankung.

Ein Arbeitnehmer war wegen einer Tumorerkrankung länger als ein Jahr krankgeschrieben und konnte nicht arbeiten. Der Arbeitgeber kündigte ihm wegen dieser Fehlzeit und den dadurch entstehenden Kosten. Er ging aufgrund des Krankheitsverlaufs davon aus, dass sein Mitarbeiter wegen der Schwere der Erkrankung nicht mehr ins Arbeitsverhältnis zurückkehren könnte.

Der daraufhin erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht Berlin statt. Die Kündigung war unwirksam, weil es der Arbeitgeber versäumt hatte, zuvor ein BEM gemäß § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) mit dem Ziel der Wiedereingliederung ins Arbeitsleben durchzuführen.

Gericht nennt BEM-Voraussetzungen

Folgende Voraussetzungen für ein formal korrektes BEM listet das Gericht in einer Mitteilung zum Urteil auf:

  • Der Arbeitgeber muss im Rahmen eines organisierten Suchprozesses zu prüfen, ob und in welcher Weise der Arbeitnehmer (wieder) beschäftigt werden kann. Zu diesem Suchprozess gehören das Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, u.U. die Einbeziehung von externem Sachverstand und - in dafür geeigneten Fällen – die stufenweise Wiedereingliederung des Arbeitnehmers im Rahmen des sog. „Hamburger Modells“*.
  • Zu prüfen sind mögliche Änderungen der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte als auch eine mögliche Umgestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit.

 

Fehlt ein derartiges BEM, kann eine ausgesprochene krankheitsbedingte Kündigung unwirksam sein. Dies hat das Arbeitsgericht Berlin unter Konkretisierung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden.

Kündigung ist unverhältnismäßig

Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber nicht hinreichend im Rahmen eines BEM geprüft, warum der Arbeitnehmer auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht weiterbeschäftigt werden könne, warum ein Einsatz nach leidensgerechter Anpassung und Veränderung des bisherigen Arbeitsplatzes ausgeschlossen und warum auch eine Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz mit einer anderen Tätigkeit nicht möglich sein könnte. Die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, so das Gericht.

Gegen das Urteil ist die Berufung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg möglich.

* Als "Hamburger Modell" wird die stufenweise Wiedereingliederung bezeichnet (§ 74 SGB V, § 28 SGB IX). Ärzte empfehlen diese Maßnahme häufig für die Zeit nach bestimmten Reha- und Krankenhausbehandlungen. Sie kann sowohl von Arbeitern und Angestellten als auch von Beamten in Anspruch genommen werden.

Lesetipp der Online-Redaktion:

»Nicht zum alten Eisen – So unterstützen Betriebsräte ältere Arbeitnehmer« von Maria Lück in »Arbeitsrecht im Betrieb (AiB)« , Ausgabe 5/2012, S. 319 - 322

Quelle:

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 16.10.1215
Aktenzeichen: 28 Ca 9065/15
Pressemitteilung Nr. 36/15 vom 29.10.2015

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