Betriebsübergang

Nachwirkende Tarifverträge binden den Erwerber

13. Oktober 2014

Bei einem Betriebsübergang muss der Erwerber nicht nur die Rechte und Pflichten aus den Tarifverträgen übernehmen, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs unmittelbar gelten. Er ist auch an Tarifverträge gebunden, die zum Übergangstermin bereits gekündigt sind, aber noch eine Nachwirkung entfalten, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Streit um die Nachwirkung von Tarifverträgen
Ein österreichischer Konzern hatte mit der Gewerkschaft für seine Muttergesellschaft einen Tarifvertrag abgeschlossen. Für eines seiner Tochterunternehmen galt ein anderer Tarifvertrag, der  für die Beschäftigten ungünstiger war. Um Kosten zu sparen, übertrug die Muttergesellschaft einen Teil ihres Betriebs im Wege eines Betriebsübergangs an die Tochtergesellschaft. Zeitgleich wurde der Tarifvertrag mit der Muttergesellschaft gekündigt. Als Reaktion hierauf hat die Gewerkschaft den Tarifvertrag mit der Tochtergesellschaft gekündigt.

Nach dem Betriebsübergang wandte die Arbeitgeberin nun keinen Tarifvertrag mehr an, sondern gab die Bedingungen einseitig vor. Die zuständige österreichische Gewerkschaft machte vor Gericht geltend, dass der gekündigte Tarifvertrag der Muttergesellschaft für alle übergegangenen Arbeitnehmer gelten müsse, da die Tochtergesellschaft an keinen geltenden Tarifvertrag mehr gebunden sei.

Die rechtliche Grundlage für die österreichische Regelung zum Betriebsübergang ist wie für den in Deutschland geltenden § 613a BGB die europäische Betriebsübergangs-Richtlinie (2001/23/EG vom 12.03.2001). Artikel 3 Abs. 3 der Richtlinie regelt, dass der Erwerber die in einem »Kollektivvertrag«, also einem Tarifvertrag, vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags« oder bis zum Inkrafttreten eines neuen Tarifvertrags aufrecht erhalten muss.

Der Erwerber muß die Arbeitsbedingungen »in dem gleichen Maße« aufrechterhalten«, wie dies zuvor auch der Veräußerer tun mußte, und zwar mindestens für ein Jahr. Der Oberste Gerichtshof Österreichs setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Art. 3 Abs. 3 der RL 2001/23 auch kraft nationalen Rechts nachwirkende Tarifverträge erfasst.

EuGH setzt fortgeltende und nachwirkende Tarifverträge gleich
Dies hat der EuGH bejaht. Artikel 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/23/EG ist so auszulegen, dass die Vorschrift sowohl im Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltende als auch zu diesem Zeitpunkt nur noch nachwirkende Kollektivverträge erfasst.

Vergleichbare Situation in Deutschland
Im deutschem Arbeitsrecht besteht mit § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ebenfalls eine solche, auf der Richtlinie beruhende Regelung. Folglich kann die Entscheidung auf Deutschland übertragen werden, so dass nun feststeht, dass ein Erwerber nach einem Betriebsübergang einen Tarifvertrag auch anwenden muss, wenn dieser zwar vor dem Betriebsübergang gekündigt ist, aber noch nachwirkt. Allerdings gilt dies nicht, wenn der Erwerber selbst tarifgebunden ist, und deshalb bei ihm ein eigenerTarifvertrag gilt.

Quelle:
EuGH, Urteil vom 11.09.2014
Aktenzeichen C-328/13

Lesetipp der AiB-Redaktion
Zur Bedeutung der europäischen Rechtsprechung für die Betriebsratsarbeit: »Kein Papiertiger« von Rudolf Buschmann in »Arbeitsrecht im Betrieb« 4/2014, S. 21-24.

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