Frauenquote für Aufsichtsräte
Lasse Pütz:
Gesetzlich gibt es nur eine wesentliche Änderung. Diese hat es allerdings in sich. So gilt zukünftig für alle Unternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind, ab 2016 eine Geschlechterquote. In diesen Unternehmen muss der Wahlvorstand von der Bekanntmachung bis zur Feststellung, wer gewählt wurde, neue bzw. ergänzte Vorschriften beachten. Hierauf geht die Neuauflage des Handbuchs zur Aufsichtsratswahl in einem eigenen Abschnitt umfassend ein. Für die anderen Unternehmen mit Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat gelten Regelungen zur Zielvorgabe.
Neben diesen gesetzlichen Neuerungen, hat das Bundesarbeitsgericht jüngst entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Berechnung von Schwellenwerten innerhalb des Wahlverfahrens zu berücksichtigen sind. Da sich diese überzeugende Rechtsprechung abzeichnete, findet sie sich auch in der aktuellen Auflage.
Lasse Pütz:
Zum einen ist es wichtig zu wissen, ob für mein Unternehmen die feste 30%-Quote gilt. In diesem Fall, sollten sich die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat bereits mit ausreichend Abstand vor der Wahl mit der Thematik befassen. Der Gesetzgeber geht im Grundsatz davon aus, dass die Quote von 30% für den Aufsichtsrat als Gesamtorgan (Gesamterfüllung) gilt. Jedoch kann jede Bank (d.h. sowohl die Anteilseigner- als auch die Arbeitnehmerseite) vor jeder Wahl der Gesamterfüllung durch einen Beschluss (z.B. im Zuge der Arbeitnehmervorbesprechung) widersprechen. In diesem Fall muss jede Seite getrennt die 30%-Quote erfüllen. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist dringend zu raten, in allen Fällen (d.h. vor jeder Wahl und Entsendung) rechtzeitig den Widerspruch auszuüben.
Zum anderen sollten sich die Wahlvorstände zeitnah mit den Quotenregelungen befassen. Die Bekanntmachungen usw. müssen angepasst und ggf. entsprechende Schulungen organisiert werden.
Lasse Pütz:
Nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 kommt es für die Frage, wie die Aufsichtsratswahl erfolgt, auf die Anzahl der Arbeitnehmer an. So regelt das MitbestG, dass in Unternehmen oder Konzernen mit in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich nicht mehr als unmittelbare Wahl, sondern als Delegiertenwahl durchzuführen ist (§ 9 Abs. 1 MitbestG).
Offen lässt das MitbestG jedoch, ob bei diesen 8.000 Arbeitnehmern auch Leiharbeitnehmer mitzuzählen sind, weshalb es in der Praxis immer wieder zu Streitigkeiten oder Rechtsunsicherheiten kam. Der Siebte Senat des BAG hat nunmehr, unter Fortführung seiner neueren Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsgesetz, entschieden, dass für die .§§ 9 Abs. 1 und Abs. 2, 11 MitbestG jedenfalls wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen mitzuzählen sind. Leiharbeiter dürften die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmervertreter wählen. Deshalb seien sie ebenfalls bei der Entscheidung über die Art der Wahl zu berücksichtigen. Entsprechend werden zukünftig wohl mehr Wahlen als Delegiertenwahl erfolgen.
Interviewpartner:
Lasse Pütz
Seit 2011 Leiter eines Referats Wirtschaftsrecht in der Hans-Böckler-Stiftung und Rechtsanwalt in Düsseldorf. Herr Pütz ist außerdem Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema Compliance, Unternehmensmitbestimmung und Coporate Governace.
Lesetipp der Online-Redaktion:
Harald Fuchs, Roland Köstler, Lasse Pütz
Handbuch zur Aufsichtsratswahl
Wahlen der Arbeitnehmervertreter nach dem Mitbestimmungsgesetz und dem Drittelbeteiligungsgesetz
6. Aufl. 2016, Bund-Verlag
555 Seiten
Ladenpreis: € 49,90
ISBN: 978-3-7663-6472-2
Ein Blick in das Buch:
© bund-verlag.de (ls)