Mitbestimmungsgesetz

Happy Birthday, Mitbestimmung!

01. Juli 2016

Ein Gesetz schreibt Geschichte: Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 ist am 1. Juli 40 Jahre alt geworden. Ein Blick ins Archiv zeigt, dass die Unternehmensmitbestimmung ein heißes Eisen war. Gewerkschaften und Arbeitgeber stritten lange darüber, welchen Einfluss Beschäftigte haben sollen. Drei Gesetze regeln heute die Mitbestimmung in den Aufsichtsräten.

Das Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) gilt in Kapitalgesellschaften, die nicht zur Montanindustrie gehören und mehr als 2.000 Mitarbeiter haben. Aufsichtsratssitze werden je zur Hälfte mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt. Die Beschäftigten wählen dazu neben Betriebsangehörigen zwei bis drei von den Gewerkschaften vorgeschlagene Kandidaten. Der Aufsichtsratsvorsitzende – der in der Regel von der Kapitalseite gestellt wird – hat doppeltes Stimmrecht, so dass bei Stimmengleichheit die Arbeitgeberseite entscheidet.

Drei Gesetze für die Mitbestimmung

Neben dem Mitbestimmungsgesetz gelten noch zwei andere Paragrafenwerke für die Mitbestimmung. Eins davon ist das Montanmitbestimmungsgesetz (abgekürzt MontanMitbestG), das im April 1951 verabschiedet wurde und dieses Jahr 65 Jahre alt wird. Es gilt für alle Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie sowie im Bergbau mit mehr als 1.000 Beschäftigten, wenn sie in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer sogenannten Einheitsgesellschaft (besondere Form der GmbH & Co KG) organisiert sind.

Paritätische Mitbestimmung in der Montanindustrie

Bei der Montanmitbestimmung gilt die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat. Das heißt: Er setzt sich je zur Hälfte aus Vertretern der Anteilseigner auf der einen und der Arbeitnehmer beziehungsweise der Gewerkschaften auf der anderen Seite zusammen. Beide Parteien verständigen sich auf ein neutrales Aufsichtsratsmitglied, dessen Votum bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt. Besonderen Einfluss haben die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bei der Wahl des Arbeitsdirektors: Er wird zwar vom gesamten Aufsichtsrat gewählt, benötigt aber in jedem Fall die Mehrheit der Arbeitnehmer-Stimmen.

Weniger Mitbestimmung in kleinen Unternehmen

Deutlich weniger weit reichen die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in Kapitalgesellschaften mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 500 und 2.000: hier gilt das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) vom 18. Mai 2004, das die zuvor im Betriebsverfassungsgesetz von 1952 geregelten Bestimmungen für diese Unternehmen ablöste. Die Arbeitnehmerseite entsendet ein Drittel der Aufsichtsräte, wobei Vertreter der Gewerkschaften nicht obligatorisch sind.

Der Blick zurück

Was heute als etabliert gilt, war lange ein Zankapfel zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Letztere gab es in Deutschland zwar bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts (Buchdruckerverband), doch mitzubestimmen hatten sie nichts. Erst nach Ende des 1. Weltkriegs und mit der Gründung der Weimarer Republik wurden Gewerkschaften zu einer – auch von den Arbeitgebern – anerkannten gesellschaftlichen Kraft. Auch die Angst vor Revolution und Sozialisierung des Kapitals bewog die Arbeitgeberseite zu etlichen Zugeständnissen an die Arbeitnehmervertreter. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 waren alle diese Errungenschaften hinfällig; die bestehenden Gewerkschaften wurden verboten.

Die Mitbestimmung wird zentral

Auch nach Ende des 2. Weltkriegs existierten in der wieder entstehenden Gewerkschaftsbewegung in den drei Westzonen Stimmen, die sich für eine Vergesellschaftung des Großkapitals stark machten; sie waren allerdings nicht mehrheitsfähig. Das Thema Mitbestimmung der Beschäftigten wurde hingegen in dieser Zeit zentral. So hatte die britische Militärregierung in ihrer Besatzungszone bereits im März 1947 die paritätische Mitbestimmung in der Eisen- und Stahlindustrie eingeführt. Die Gewerkschaften wollten dieses Modell auf alle Großunternehmen in der entstehenden Bundesrepublik übertragen.

Erster Entwurf für das BetrVG

Allerdings gab es auch eine Gegenbewegung in Wirtschaft und Politik. Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard (CDU) legte jedenfalls im November 1950 einen Entwurf für ein Betriebsverfassungsgesetz vor, in dem die paritätische Mitbestimmung gar nicht vorgesehen war. Diese als Rückschritt bewertete Entwicklung löste erhebliche Gewerkschaftsproteste aus. Zur Jahreswende 1950/51 initiierten die Industriegewerkschaften Metall und Bergbau Urabstimmungen über einen Streik zur Sicherung und Ausweitung der paritätischen Mitbestimmung. Die Zustimmung der Beschäftigten war riesengroß.

Paritätische Mitbestimmung verankern

Daraufhin wurden neue Verhandlungen über die Mitbestimmung unter Beteiligung von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) anberaumt. Am Ende stand ein Kompromiss, wonach die paritätische Mitbestimmung in der Montanindustrie gesetzlich verankert werden sollte – die Geburtsstunde für die Montanmitbestimmung.

Widerstand der Arbeitgeber

Doch die Arbeitgeber bekämpften die paritätische Mitbestimmung wie sie für die Montanindustrie galt: Sie hielten sie für unvereinbar mit der Marktwirtschaft und lehnten sie als Eingriff in ihre Eigentumsrechte ab. Schließlich wurde als Kompromiss 1976 das Mitbestimmungsgesetz verabschiedet. Beschäftigte aller Branchen konnten nun Vertreter in den Aufsichtsrat ihrer Betriebe entsenden und so an der Gestaltung der Unternehmenspolitik mitwirken. 2004 schließlich löste der Bundestag die Unternehmensmitbestimmung aus dem Betriebsverfassungsgesetz heraus und verabschiedete das Drittelbeteiligungsgesetz für kleinere Unternehmen.

© bund-verlag.de (CS)

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