Ist Umkleidezeit vergütungspflichtig?

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg (LAG) hatte die oben genannte Frage im Jahr 2015 zugunsten der Beschäftigten entschieden: Immer dann, wenn eine Persönliche Schutzausrüstung (PSA) angelegt werden muss, ist die dafür anfallende Arbeitszeit und die damit verbundene betriebliche Wegezeit vom Arbeitgeber zu vergüten (LAG Hamburg 6.7.2015 – 8 Sa 53/14).
Im Dezember 2016 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Hamburger LAG-Entscheidung zwar bestätigt und die Revision der Arbeitgeberin abgewiesen (BAG 13.12.2016 - 9 AZR 574/15). Die Sache wurde zur Klärung der anzurechnenden Arbeitszeiten an das LAG zurückverwiesen. Allerdings hebt das BAG auf eine andere Begründung ab.Umkleidezeit als Arbeitsschutzkosten
Das LAG hatte in seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass eine Regelung in einem Manteltarifvertrag gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoße (§ 3 Abs. 3 ArbSchG) und damit rechtsunwirksam sei: Der entsprechende Manteltarifvertrag ordnete Umkleidezeiten nicht als Arbeitszeit ein. Das LAG hatte argumentiert: Ein Arbeitgeber dürfe Kosten für Maßnahmen nach dem Arbeitsschutzgesetz nicht den Beschäftigten auferlegen. Dazu gehöre neben der Bereitstellung der PSA (wie Erwerb und Reinigung) auch die Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahme - wie z.B. das Umkleiden. Das BAG folgte dieser Argumentation nicht. Zeiten für das An- und Ablegen der PSA verursachten beim Arbeitnehmer keine Kosten. Das arbeitsschutzrechtliche Verbot des § 3 Abs. 3 ArbSchG, dem Arbeitnehmer keine Kosten des Arbeitsschutzes aufzuerlegen, erfasse nicht zeitliche Dispositionen des Arbeitnehmers. Die in § 3 Ziff. 6 MTV genannten Umkleidezeiten führten nicht zu »Kosten«, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auferlege.BAG beanstandet den Manteltarifvertrag nicht
Damit sei die tarifliche Regelung nicht zu beanstanden. Das BAG leitete dann aber die Vergütungspflicht für die Umkleidezeiten aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung ab und verpflichtete den Arbeitgeber auf dieser Grundlage: Umkleidezeit und Wegezeiten für das Anlegen der PSA sind voll zu vergüten.Denn, so die BAG-Begründung: der klagende Arbeitgeber zahle anderen Beschäftigten im Betrieb für ähnliche Umkleidezeiten das Entgelt. Die Arbeitnehmer/innen beider Gruppen befänden sich in einer vergleichbaren Situation, da sie aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen gleichermaßen verpflichtet sind, bestimmte Arbeitsplätze nur mit PSA zu betreten. Eine Ungleichbehandlung sei nicht durch sachliche Gründe zu rechtfertigen.
Auch wenn die Entscheidung des BAG vom Ergebnis her zu begrüßen sei, so Fachanwalt Manfred Wulff, sei die Begründung schwer nachvollziehbar: Die Zeiten zum Umkleiden seien sehr wohl Kosten, die bei den Beschäftigten anfielen, wenn sie ihre PSA in der privaten Zeit anlegen müssten. Alle Arbeitszeiten sind mit Kosten verbunden. Für den Arbeitgeber entfallen Lohnkosten, wenn er das Anlegen einer vorgeschriebenen PSA nicht vergüten muss. Für den Arbeitnehmer werden Zeiten nicht vergütet, die er auf Weisung des Arbeitgebers zum Nutzen des Arbeitgebers aufwendet. Zeit ist eben meistens auch Geld.