Mindestlohn

Kein Hungerlohn für Pizzaboten

29. April 2016

Ein Pizzabäcker zahlte einer Lieferfahrerin über Jahre nur 3,40 EUR pro Stunde. Die Lohnvereinbarung ist sittenwidrig und nichtig. Da der gesetzliche Mindestlohn noch nicht in Kraft war, können die Arbeitnehmerin oder ihr Sozialhilfeträger die ortsübliche Vergütung einklagen, entschied das LAG Berlin-Brandenburg.

3,40 EUR sind sittenwidriger Hungerlohn

Der beklagte Arbeitgeber betreibt eine Pizzeria im östlichen Brandenburg. Die Arbeitnehmerin war dort seit dem Jahr 2001 als Auslieferungsfahrerin tätig. Sie erhielt bei einer vereinbarten Arbeitszeit von ca. 35-40 Stunden pro Monat durchgängig pauschal 136 EUR Lohn. Dadurch ergab sich rechnerisch ein Stundenlohn von rund 3,40 EUR. Zusätzlich bezog sie in den Jahren 2011 – 2014 Leistungen zur Grundsicherung vom örtlichen Jobcenter.

Da durch die Leistung offene Lohnansprüche auf den Sozialhilfeträger übergehen, erhob das Jobcenter gegen den Arbeitgeber Klage auf Zahlung der ortsüblichen Vergütung. Das Jobcenter hat geltend gemacht, die Vergütung dieser Arbeitnehmerin sei sittenwidrig niedrig. Hätte der Arbeitgeber die übliche Vergütung gezahlt, wären geringere Leistungen an Grundsicherung angefallen. Der Arbeitgeber habe diese Differenz zu erstatten.

Arbeitgeber muss nachzahlen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat der Klage in Höhe von 5.744,18 EUR stattgegeben. Nach der Feststellung des LAG handelt es sich bei dem rechnerischen Stundenlohn von 3,40 EUR um einen Hungerlohn. Selbst bei unterstellter Vollzeittätigkeit erziele die Arbeitnehmerin ein Einkommen, von dem man nicht leben könne. Die Vereinbarung von Hungerlöhnen ist sittenwidrig und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.

Da sich die Lohnforderung auf die Jahre 2011-2014 bezieht, also die Zeit vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes, war die übliche Vergütung aus den Daten des statistischen Landesamtes zu ermitteln. Für das Jahr 2011 sei das klagende Jobcenter zutreffend von einem Stundenlohn von 6,77 € ausgegangen, der sich bis zum Jahr 2014 auf 9,74 € steigere. Ob sich eine Sittenwidrigkeit daneben auch aus Wertungen der Europäischen Sozialcharta ergeben kann, ließ das Gericht offen. Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Quelle:
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.04.2016
Aktenzeichen 15 Sa 2258/15
LAG Berlin-Brandenburg. Pressemitteilung vom 22.04.2016

© bund-verlag.de (ck)

Lesetipp:
»Mindestlohn und Betriebsrat« von Huber/Helm in Arbeitsrecht im Betrieb 3/2016, S. 43-46 .

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