Kündigung

Mit Klo-Foto fast ein Eigentor geknipst

15. August 2016
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Quelle: © Smileus / Foto Dollar Club

Als Stürmer beim 1. FC Saarbrücken hat er nicht unbedingt als »Knipser« von sich Reden gemacht, auf der Toilette schon. Dennoch ist der Rauswurf eines Spielers nicht rechtens, der seinen Trainer heimlich auf dem stillen Örtchen fotografierte. Das entschied das LAG Saarbrücken. Es fehle in diesem Fall der wichtige Grund für eine fristlose Kündigung.

Vor der Abfahrt zu einem Punktspiel hatte der gekündigte Spieler mit seinem Smartphone unter der Toiletten-Trennwand hindurch die Nachbarkabine fotografiert – nach eigener Aussage ein Scherz, da er dort einen Mannschaftskollegen vermutete. Allerdings war sein Trainer in der Kabine, und der fand die Aktion gar nicht lustig. Einige Wochen später trudelte die fristlose Kündigung beim Spieler ein.

Frist ist gewahrt

Zunächst war fraglich, ob die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt worden war. Entscheidend hierfür ist als Zeitpunkt die Kenntnis über alle kündigungsrelevanten Tatsachen. Dieser Zeitpunkt war laut Gericht der 14.05.2014. An diesem Tag informierte der damalige Cheftrainer den damaligen Schatzmeister des Vereins (Vorstandsmitglied) über den Vorfall mit dem Kläger vom 26.04.2014. Die Kenntnis des Cheftrainers vom Toiletten-Vorfall könne dem Verein beziehungsweise dessen Vorstand nicht als eigen Kenntnis angerechnet werden – dazu fehle es an der herausragenden Stellung des Trainers innerhalb des Vereins. Daher komme ein früherer Zeitpunkt nicht in Frage. Die am 21.05.2014 erklärte fristlose Kündigung des Klägers ist laut LAG Saarbrücken allerdings unwirksam und konnte das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beenden, weil der Verein als Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung keinen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorweisen konnte.

Wichtiger Grund fehlt

»Nach § 626 Abs. 1 BGB kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile, die Fortsetzung des Dienstverhältnisses selbst für die Zeitspanne der Kündigungsfrist oder bis zu der Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung erfolgt dabei in zwei Stufen. Zunächst muss geklärt werden, ob ein Grund vorliegt, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund darzustellen. In einer zweiten Stufe ist sodann zu prüfen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände sowie unter beiderseitiger Interessenabwägung.«

Das ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist demnach immer als letzte Sanktions-Möglichkeit des Arbeitgebers zu sehen, und zwar erst dann, wenn keine milderen Mittel in Betracht kommen, mit denen sich das Fehlverhalten des Mitarbeiters handhaben lässt. In den Entscheidungsgründen heißt es: »Überträgt man diese Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB auf die Situation im Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien, so wird deutlich, dass die Umstände, welche letztlich zum Entstehen einer Fotografie unter Einsatz des Smartphones des Klägers auf der öffentlichen Herrentoilette in einem Hotel geführt haben, nicht die erforderliche Qualität erreicht haben, die den Beklagten berechtigt hätten, ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung und dem Vorliegen eines Wiederholungsfalles ähnlicher Qualität, das Arbeitsverhältnis zu beenden.«

Nach Anhörung mehrerer Gutachter war das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass es »von einer ganzen Reihe zusätzlicher Faktoren neben der rein rechnerischen Aufstellung eines Größenverhältnisse zwischen Auslöseknopf und aktiver Displayfläche beziehungsweise Größe des gesamten Smartphones sowie Anstellungswinkeln in der möglichen Handhabung bei der konkreten Auslösesituation abhängig sein wird, ob es tatsächlich je nach Nutzer zu einer Fotoaufnahme kommt oder nicht«. Jedenfalls konnte die Kammer sich nicht überzeugen, dass der Spieler das Foto seines Trainers – rein technisch - absichtlich angefertigt hatte. Zudem stand auch noch eine Verwechslung im Raum, da er dachte, dass der Kabinennachbar ein Mitspieler sei.

Eingriff in Persönlichkeitsrecht reicht nicht für Rauswurf

Das Anfertigen eines Fotos vom damaligen Cheftrainer sei zwar ein starker Eingriff in den Persönlichkeitsbereich, und zwar unabhängig davon, was auf dem Foto zu erkennen war. Allerdings müsse auch hier wiederum zu Gunsten des Klägers berücksichtigen werden, dass er nach einem kurzen Wortgefecht mit seinem Trainer sofort einsichtig war und das Foto gelöscht hat. Dass es möglicherweise in eine virtuellen Speicher, einer so genannten Cloud, weiter bestehe, sei nicht entscheidend, da Spieler das Foto zu keinem späteren Zeitpunkt verwendet hat, weder in sozialen Netzwerken noch an anderer Stelle. »Es darf also durchaus davon ausgegangen werden, dass die Verletzungen im höchstpersönlichen Bereich sich zeitlich punktuell nur auf den eigentlichen Vorgang der Entstehung der Fotografie beziehungsweise des Blicks in die Nachbarkabine mittels eines technischen Hilfsmittels in Form der Nutzung der reinen Bildübertragungsfunktionen der Kamera des iPhone 5 des Klägers reduzieren lässt.«

Trotz des Fehlverhaltens des Spielers wäre eine Abmahnung als mildere Sanktion nötig gewesen. Das Gericht war nämlich – anders als der Verein – nicht der Auffassung, dass das nötige Vertrauensverhältnis derart beschädigt war, um eine Fortsetzung des Arbeitsvertrages in Betracht zu ziehen. »Vor diesem Hintergrund liegt also kein Fall vor, in welchem vor Ausspruch einer Kündigung, insbesondere einer fristlosen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen, eine Abmahnung entbehrlich oder sogar sinnlos gewesen wäre, weil das notwendige Vertrauen für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohnehin nicht mehr hätte hergestellt werden können.«

© bund-verlag.de (mst)

Lesetipp der Online-Redaktion:

»Aufhebungsvertrag: Drohen mit fristloser Kündigung nicht rechtswidrig«  
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