Leiharbeit auch bei Stellenabbau in der Insolvenz zulässig

15. Januar 2013

Eine Kündigung aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste in der Insolvenz wird nicht dadurch rechtswidrig, dass im Interessenausgleich auch der Einsatz von Leiharbeitnehmern zugelassen wird.

Der Fall
Ein Arbeitnehmer wehrt sich gegen seine Kündigung durch den Insolvenzverwalter seiner Arbeitgeberin. Der Kläger wurde 1974 geboren und im Jahr 1994 bei der Arbeitgeberin, die an mehreren Standorten Produkte für die Automobilindustrie herstellt, als Maschinenbediener im Betrieb A eingestellt. Im Betrieb besteht ein Betriebsrat.

Da er wegen Geräuschempfindlichkeit an Arbeitsplätzen mit lauter Umgebung nicht mehr eingesetzt werden konnte, wurde er nach dem Unfall an keinem festen Arbeitsplatz mehr eingesetzt. Seit seinem Arbeitsunfall war er an 486 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt.

Die Arbeitgeberin wurde insolvent. Am 18.3.2009 schloss der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat des Betriebs A einen Interessenausgleich, der den Abbau von 153 Stellen und die Kündigung von 134 namentlich aufgeführten Arbeitnehmern vorsah, darunter auch den Kläger. Zugleich wurde vereinbart, dass der Arbeitgeber beim Abbau der Arbeitsplätze einen zeitweisen Personalmehrbedarf wegen Urlaubs oder Krankheit mit Leiharbeitskräften abdecken kann, bis zu einer Gesamtzahl von bis zu 10% der Belegschaft des Werkes A.

Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers. Der Arbeitnehmer machte in seiner Klage unter anderem geltend, der Interessenausgleich gestatte den Einsatz von Leiharbeitnehmern so uneingeschränkt, dass die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO), dass die Kündigung sozial gerechtfertigt sei, nicht eintreten könne. Zudem machte er geltend, fehlerhaft der Vergleichsgruppe der Maschinenbediener zugeordnet worden zu sein, da er diese Tätigkeit zuletzt nicht mehr ausüben konnte.

Die Entscheidung

Das BAG wies die Revision des Klägers zurück und bestätigte die Kündigung als rechtmäßig.
Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen (betriebsbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG).

Die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, wird nicht durch die Leiharbeitnehmerklausel des Interessenausgleichs vom 18.3.2009 widerlegt. Die Einschätzung des LAG, es sei nicht zu erkennen, dass Leiharbeitnehmer die Arbeit gekündigter Stammarbeitnehmer übernommen hätten und deshalb bloße Austauschkündigungen vorlägen, ist rechtsfehlerfrei.

Eine alternative iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG fehlt auch dann, wenn Leiharbeitnehmer zwar eingesetzt werden, aber lediglich, um Auftragsspitzen aufzufangen. An einem freien Arbeitsplatz fehlt es in der Regel auch, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer als Personalreserve vorhält, um den Bedarf zur Vertretung abwesender Stammarbeitnehmer zu decken. Ein Austausch eigener Arbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer liegt nicht vor, wenn diese nur zur Vertretung anderer Arbeitnehmer auf von diesen besetzten Arbeitsplätzen eingesetzt werden.

Auch wenn sie dabei Tätigkeiten versehen sollen, die ggf. auch der Arbeitnehmer verrichten kann, dessen Kündigung beabsichtigt oder erfolgt ist, steht das dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für diesen Arbeitnehmer nicht entgegen. Eine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO liegt nicht vor. Sie wäre beispielsweise dann zu bejahen, wenn sich die im Interessenausgleich vorgesehene Zahl der zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer erheblich verringert hat. Davon sei nicht auszugehen. Auch zur Differenz zwischen den 153 abzubauenden Stellen und den 134 namentlich genannten Arbeitnehmern habe der Insolvenzverwalter nachvollziehbar dargelegt, 19 Arbeitsverträge seien bereits durch Eigenkündigungen oder Aufhebungsverträge beendet worden.

Da der Kläger wegen seines Leidens auf einer Vielzahl von Arbeitsplätzen eingesetzt war, durften die Betriebsparteien bei seiner Zuordnung einer Vergleichsgruppe auf seinen letzten regulären Arbeitsplatz abstellen, ohne dass diese Zuordnung grob fehlerhaft war.

Quelle:
BAG, Urteil vom 18.10.2012
Aktenzeichen 6 AZR 289/11
BAG online

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