Entgeltfortzahlung

Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch Krankenkasse

07. Oktober 2016
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Quelle: nmann77_Dollarphotoclub

Mitunter äußern Arbeitgeber Zweifel, ob der »Gelbe Schein« sachlich richtig ist, mit dem der behandelnde Arzt die Arbeitsunfähigkeit (AU) bescheinigt. In diesen Fall kann der Medizinische Dienst der Krankenkasse (MDK) auf Antrag des Arbeitgebers tätig werden. Eine mehrfache Überprüfung durch den MDK muss aber auch der misstrauischste Chef akzeptieren und seinem Mitarbeiter das Entgelt fortzahlen – so das Landesarbeitsgericht (LAG) in Stuttgart.


Die Arbeitnehmerin war seit August 2014 als Verkaufsberaterin in leitender Stellung beschäftigt. Ihre Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt Euro 4.500,00. Nach Bescheinigungen eines Facharztes ist sie seit dem 27.10.2015 arbeitsunfähig. An diesem Tag kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis schriftlich fristgerecht zum 31.01.2016. Die Arbeitsunfähigkeit der Verkaufsbsberaterin dauerte über das Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.01.2016 hinaus fort.

Die Arbeitgeberin verweigerte  ihr die Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die vorgeschriebenen sechs Wochen. Sie erklärte, die Krankmeldung ihrer Mitarbeiterin sei nur vorgeschoben. Das Unternehmen veranlasste zwei Überprüfungen durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) im November und Dezember 2015. Beide bestätigten, dass die Arbeitsunfähigkeit andauerte.

Arbeitgeberin hält Arbeitsunfähigkeit für vorgeschoben

Die Arbeitgeberin legte Berufung ein. Sie hält die Arbeitsunfähigkeit (AU) der Klägerin weiter für vorgeschoben. Die Klägerin sei am Tag der Kündigung ganz normal zur Arbeit erschienen, habe an der morgendlichen Lagebesprechung teilgenommen und sich auch bei Kaffee und Tee nichts anmerken lassen. Erst danach habe sie völlig unvermittelt im Büro der Arbeitgeberin erklärt, kündigen zu wollen. Es sei ihr darum gegangen, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden. Sie habe sämtliche Schlüssel abgegeben und ihre persönlichen Gegenstände mitgenommen. Zudem sei der Hausarzt, der der die AU-Bescheinigung ausgestellt habe, ein Gemeinderatskollege des Vaters der Klägerin. Zudem sei der MDK keine neutrale Instanz, nur ein vereidigter Sachverständiger könne entscheiden, ob die Klägerin tatsächlich krank war.

Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Wie bereits das Arbeitsgericht Lörrach in erster Instanz entschied auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Stuttgart zugunsten der Arbeitnehmerin: Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts für sechs Krankheitswochen nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Die von der Arbeitgeberin vorgebrachten Umstände mögen geeignet sein, den Beweiswert einer AU-Bescheinigung zu erschüttern. Die Klägerin habe ihre Arbeitsunfähigkeit jedoch hinreichend durch die Vorlage der beiden Atteste des MDK belegt.

Medizinischer Dienst ist hinreichend neutral

Der MDK sei hinreichend neutral. Die Überprüfung von AU-Bescheinigungen gehört zu den gesetzlichen Aufgaben des MDK, bestimmt § 275 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). § 275 Abs. 5 SGB V ist ausdrücklich bestimmt, dass die Ärzte bei ihren Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind. Das Ergebnis eines MDK-Gutachtens ist daher nur angreifbar, wenn konkrete Umstände dafür sprechen, dass das Gutachten nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Dazu hat die Arbeitgeberin aber nichts vorgetragen. Auch ein Gutachten durch einen vereidigten Sachverständigen könnte dem gegenüber keine weiteren Erkenntnisse dazu bringen, ob die Klägerin im Entgeltfortzahlungszeitraum arbeitsunfähig war.

Lesetipp:

  • Mehr zu diesem Thema lesen Sie in unserem Online-Lexikon für Betriebsräte unter dem Stichwort »Entgeltfortzahlung«.
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