Gesetzlicher Mindestlohn

Rechtsprechungs-Bilanz nach zwei Jahren

12. Juni 2017
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Quelle: weyo_Dollarphotoclub

Vor über zwei Jahren wurde der gesetzliche Mindestlohn eingeführt. Eine Klagewelle hat er zwar nicht ausgelöst. Aber knapp 70 Urteile sind dazu bisher ergangen. Worüber wurde dabei hauptsächlich gestritten? Welche Rechtsfragen zum Mindestlohngesetz sind mittlerweile geklärt und welche weiterhin offen? Diese Fragen beantworten Marta Böning und Micha Klapp, Referatsleiterinnen beim DGB-Bundesvorstand, im Heft 5/2017 der »Sozialen Sicherheit« .

Vor Gericht wurde und wird vor allem über die Frage gestritten, welche Lohnbestandteile der Arbeitgeber auf den Mindestlohn anrechnen darf – oder anders gesagt: mit welchen Zulagen, Zuschüssen oder Sonderzahlungen der Mindestlohnanspruch erfüllt werden kann.

Urlaubs- und Weihnachtsgeld

Das Bundesarbeitsgericht urteilte: Auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das monatlich umgelegt und ausgezahlt wird, sind anrechenbar und können somit den Mindestlohnanspruch erfüllen.

Provisionen, Anwesenheits- und Treueprämien

Auch etlichen Extrazahlungen, die »besondere Leistungen« entgelten sollen, wurden bisher von verschiedenen Landesarbeitsgerichten als anrechnungsfähig angesehen: so etwa umsatzabhängige Provisionen und Anwesenheits- oder Treueprämien. Hier stehen aber teilweise noch Revisionen vor dem Bundesarbeitsgericht aus. Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen Zweckbestimmung beruhen, dürfen dagegen laut Bundesarbeitsgericht nicht angerechnet werden. Dies betrifft etwa Nachtarbeits- oder Feiertagsarbeitszuschläge und Schichtzulagen (deren Höhe variiert, je nachdem ob zwei- oder dreischichtig gearbeitet wird).

Wann der Mindestlohn unterschritten werden darf

Die Auseinandersetzungen vor den Gerichten betreffen vielfach auch die noch bis Ende dieses Jahres gültigen Übergangsregelungen zum gesetzlichen Mindestlohn. Danach darf der Mindestlohn (aktuell: 8,84 Euro pro Arbeitsstunde) in den Branchen unterschritten werden, in denen dazu ein Tarifvertrag besteht, dessen Regelungen für alle unter den Geltungsbereich des Vertrages fallenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich gemacht worden sind.

Das Landesarbeitsgericht Hamm urteilte hierzu: Es darf keine »Bereichsausnahme« geben. Wenn für eine Arbeitnehmerin wegen einer Ausnahmebestimmung der (niedrigere) Branchenmindestlohn nicht gilt, dann ist für sie der allgemeine gesetzliche Mindestlohn maßgeblich. Gegensätzliche Urteile fällten die Gerichte zum noch bis Ende 2017 geltenden niedrigeren Mindestlohn für Zeitungszusteller: Hier ist umstritten, ob der niedrigere Mindestlohn auch für diejenigen gilt, die nicht nur Zeitungen zustellen, sondern zuvor auch eigenhändig Werbeprospekte in die Printerzeugnisse mit redaktionellem Inhalt einlegen. Dazu wird demnächst das Bundesarbeitsgericht entscheiden müssen.

Wichtige Urteile und Tendenzen der Rechtsprechung zum Mindestlohngesetz analysieren Marta Böning und Micha Klapp im Heft 5/2017 der »Sozialen Sicherheit«.

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© bund-verlag.de (HN)

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