Auslandsbeschäftigung

EU präsentiert Reform der Entsenderichtlinie

18. März 2016

Für Arbeitnehmer, die ins Ausland entsandt sind, gelten künftig bessere Arbeitsbedingungen. Nach zwei Jahren sollen sie die selben Rechte wie einheimische Beschäftigte erhalten. Von Beginn an gilt für sie der Mindestlohn – so die Reform der EU-Entsenderichtlinie. Doch die Skepsis auf Gewerkschaftsseite bleibt. Blumige Formulierungen allein könnten nicht vor Lohndumping schützen – so der DGB.

Kommission will Entsendung vereinfachen

Die Kommission hatte die Überarbeitung der Richtlinie RL 96/71/EG bereits für 2016 angekündigt und jetzt einen Vorschlag vorgelegt, der einer Mitteilung zufolge »die Entsendung von Arbeitnehmern, die in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind und von ihrem Arbeitgeber zur Erbringung einer Arbeitsleistung vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden«, erleichtert soll. Dabei hat die Kommission nach eigenen Angaben gleichwohl Wert auf einen fairen Wettbewerb als auch faire Arbeitsbedingungen gelegt.

Zwischen 2010 und 2014 hat sich laut EU-Kommission die Anzahl der Entsendungen fast verdoppelt. Im Jahr 2014 kamen etwa 1,9 Millionen Arbeitnehmer in andere Mitgliedstaaten, um dort ihr Geld zu verdienen. Nach Deutschland kamen über 400.000 Arbeitnehmer, die meisten von ihnen aus dem Nachbarland Polen. 256.000 Menschen aus Deutschland waren demgegenüber als Leiharbeitnehmer im EU-Ausland tätig, die meisten in den Niederlanden.

EU-Kommissarin Thyssen: »Arbeitskräftemobilität erleichtern«

Die für Beschäftigung, Soziales, Qualifikationen und Arbeitskräftemobilität zuständige EU-Kommissarin Marianne Thyssen erklärte: »Bereits zu Beginn meines Mandats habe ich darauf hingewiesen, dass wir die Arbeitskräftemobilität erleichtern müssen und dass dies in einem gerechten Rahmen erfolgen muss. Der Rechtsrahmen für die Entsendung, den wir heute mit unserem Vorschlag vorgelegt haben, ist klar, gerecht und leicht durchsetzbar.«

Die Überarbeitung der Richtlinie enthält Änderungen in drei Hauptbereichen: Entlohnung entsandter Arbeitnehmer (einschließlich Unterauftragsvergabe), Vorschriften für Leiharbeitnehmer und langfristige Entsendung.

Hier die Änderungsvorschläge im Überblick :

  • Für entsandte Arbeitnehmer sollen – soweit möglich – die gleichen Vorschriften über Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen gelten wie für lokale Arbeitnehmer. Damit soll verhindert werden, dass entsandte Arbeitnehmer für die selbe Arbeit ein geringeres Entgelt erhalten als andere Arbeitnehmer, etwa weil die Mindestlohnvorschriften im Entsenderland Anwendung finden. Künftig müssen sämtliche Entlohnungsvorschriften, die im Allgemeinen bei lokalen Arbeitnehmern zum Tragen kommen, auch auf entsandte Arbeitnehmer angewendet werden. Das soll auch für Prämien und Zulagen gelten.
  • In Gesetzen oder allgemeinverbindlichen Tarifverträgen festgelegte Vorschriften müssen in allen Wirtschaftszweigen für entsandte Arbeitnehmer gelten.
  • Unterauftragnehmer (Subunternehmer) müssen Arbeitnehmern das gleiche Entgelt zahlen wie der Hauptauftragnehmer. Dabei sollen für nationale und grenzüberschreitend tätige Unternehmen die gleichen Regeln gelten.
  • Für aus dem Ausland entsandte Leiharbeitnehmer müssen die im Aufnahmeland geltenden nationalen Leiharbeitsvorschriften zur Anwendung kommen.
  • Beträgt die Dauer der Entsendung mehr als 24 Monate, müssen die arbeitsrechtlichen Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaates angewandt werden, wenn diese für den Leiharbeitnehmer günstiger sind.


Laut EU-Kommission würde mit dem Vorschlag sichergestellt, dass Leiharbeitnehmer grenzüberschreitend gleichen Lohn bekommen.

  • Wichtig: Deutschland hat diese Option der bestehenden Richtlinie bereits in nationales Recht umgesetzt. Daher ist vorerst keine Gesetzesänderung nötig. Zwölf EU-Staaten müssten jedoch ihr nationales Recht ändern, um die Neuregelungen zu übernehmen.
Kritik von Seiten des DGB

Scharfe Kritik kommt von Seiten des DGB und der SPD. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte, die Intention der EU-Kommission möge gut gemeint sein, sei aber schlecht gemacht, und kritisierte, dass blumige Formulierungen allein nicht vor Lohnduming schützen könnten.

Noch offensiver formuliert es Jutta Steinruck, sozial- und beschäftigungspolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten, und fordert die Kommission auf, den Entwurf zurückzunehmen. »Mit der Entsenderichtline sollte die EU-Kommission die organisierte Ausbeutung mobiler Arbeitnehmer in Europa eigentlich verhindern. Offenbar plant sie das Gegenteil«, so Steinruck.

Buchtipp der Online-Redaktion:

»Leiharbeit – Ratgeber für Betriebsräte und Beschäftigte« von Jürgen Ulber, Bund-Verlag, 332 Seiten, kartoniert, 1. Aufl. 2015, 19,90 Euro, ISBN: 978-3-7663-6428-9

Quelle:

Pressemitteilung der EU-Kommission vom 8.3.2016
Mitteilung des DGB vom 07.03.2016

© bund-verlag.de (mst)

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