Kopftuch oder Amtsrobe?

26. Mai 2017
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Quelle: pixabay.com

Eine Rechtsreferendarin islamischen Glaubens darf während ihrer Ausbildung kein Kopftuch tragen, wenn sie als Teil der Justiz auftritt – also als Beisitzerin des Gerichts oder als Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Das Neutralitätsgebot der Justiz gelte auch für Referendare und verbiete religiös wirkende Kleidung – so der Hessische Verwaltungsgerichtshof.

Eine weitere Entscheidung im Streit um das islamische Kopftuch: Der 1. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) hat beschlossen, dass eine Rechtsreferendarin muslimischen Glaubens – die während ihrer Ausbildung ein Kopftuch trägt –keine Tätigkeiten ausüben darf, bei denen sie von Bürgerinnen und Bürgern als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden kann.

VG Frankfurt entschied noch zugunsten der Referendarin

Die Rechtsreferendarin war Anfang 2017 nach ihrem Jurastudium in den juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Hessen eingetreten. Sie ist islamischen Glaubens und trägt als Ausdruck ihrer Glaubensüberzeugung ein Kopftuch, das Haare und den Hals bedeckt. Sie wurde bei Eintritt in den Dienst vom zuständigen Oberlandesgericht belehrt, dass sie als Rechtsreferendarin im Vorbereitungsdienst das staatliche Neutralitätsgebot einhalten muss, das religiös konnotierte Kleidung verbietet.

Die Referendarin sah dies als ungerechtfertigte Beeinträchtigung ihrer Ausbildung an und beantragte gegen die Anweisung einstweiligen Rechtsschutz. In erster Instanz gab ihr das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt Recht und entschied, das in Hessen geltende Verbot gelte in derzeitiger Form lediglich für Beamte und Richter. Für angehende Volljuristinnen und Volljuristen gebe es kein gesetzliche Grundlage für das Verbot. Diese sei aber erforderlich, wenn in ein so wichtiges Grundrecht wie die Religionsfreiheit (Art. 4 Grundgesetz - GG) eingegriffen werde (VG Frankfurt, Beschl. v. 12.04.2017 - 9 L 1298/17.F)

Diese Entscheidung hat der Hessische VGH nun aufgehoben und den Antrag der Referendarin abgewiesen.

Was bedeutet das für die Ausbildung?

In der Praxis bedeutet dies laut dem VGH Hessen insbesondere: Referendarinnen die im Dienst ein Kopftuch tragen wollen, dürfen

  • bei Verhandlungen im Gerichtssaal nicht auf der Richterbank sitzen, können aber im Zuschauerraum der Sitzung beiwohnen.
  • keine Gerichtssitzung leiten und / oder Beweisaufnahmen durchführen.

  • keine Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft übernehmen.
  • während der Verwaltungsstation keine Anhörungsausschusssitzungen leiten.

Kopftuch oder Robe?

Zwar tragen Referendare als Beisitzer des Gerichts keine Amtsrobe, sondern nur als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft. Als Faustregel ließe sich aber festhalten, dass eine Referendarin kein Kopftuch tragen darf, wenn sie als Richterin oder Staatsanwältin eine Amtsrobe tragen würde oder sonst hoheitlich tätig wird. Damit ist für die Referendarin die Ausbildung zwar weiterhin möglich, aber ihr praktischer Einsatz eingeschränkt.

Neutralitätsgebot der Justiz

Der VGH Hessen stützt seine Entscheidung auf das Neutralitätsgebot für die staatliche Justiz. Dieses Gebot wird aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Gebot der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) hergeleitet. Auf der Basis dieser Gebote werden Richter und Beamte der Justiz angewiesen, sich weltanschaulich neutral verhalten.

Das schließt nach dem Beschluss des VGH Hessen ein, im Dienst keine Kleidungsstücke zu tragen, die religiös oder weltanschaulich konnotiert sind und bei Verfahrensbeteiligten Zweifel an der Neutralität der Person oder der Justiz insgesamt wecken können. Nach dem VGH gilt das Neutralitätsgebot auch vollumfänglich für Referendarinnen und Referendare im Vorbereitungsdienst. In der Abwägung müssten auch die Grundrechte der Referendarinnen und Referendare dahinter zurücktreten.

Der Vorbereitungsdienst führt Juristinnen und Juristen in die klassischen rechtlichen Berufe (Richteramt, Staatsanwaltschaft, Rechtsanwaltschaft, Verwaltungsdienst) ein. Die Ausbildung endet mit der zweiten juristischen Staatsprüfung, die Zugangsvoraussetzung für das Richteramt, die Rechtsanwaltschaft und den höheren Verwaltungsdienst ist. Der Beschluss des VGH Hessen erging in einem Eilverfahren und ist laut Mitteilung des Gerichts unanfechtbar.

Quelle:

VGH Hessen, 23.05.2017 - 1 B 1056/17

Lesetipp:

»Kopftuchverbot nur als Ausnahme« von Maximilian Baßlsperger in Der Personalrat 5/2015, S. 35-38.

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