Arbeitsschutz

Schwitzen am Arbeitsplatz – wie Sie Beschäftigte schützen

07. Juni 2016
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Quelle: nikolayshubin_Dollarphotoclub

Sommer, Sonne, hitzefrei? Alljährlich zum Sommeranfang stellt sich für Arbeitnehmer die Frage, welche Rechte sie bei hohen Temperaturen haben. Muss eine Klimaanlage installiert werden, können kühle Getränke gefordert werden, ab wann gibt es hitzefrei und was kann der Betriebsrat tun? Die Antworten geben Marc-Oliver Schulze und Eva Ratzesberger in der »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB).

Sucht man nach Regelungen zum Thema »Hitze« oder »hohe Temperaturen am Arbeitsplatz« ist es mit einem kurzen Blick in die Gesetze zum Arbeitsrecht nicht getan. Gesetzliche Vorschriften, die dem Arbeitgeber zwingend einzuhaltende Maßstäbe vorschreiben? Fehlanzeige!

Regelungen, die Arbeitnehmer vor Hitze und deren Folgen schützen sollen, werden oftmals mit dem Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (auch bekannt als Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)) in Verbindung gebracht. Statt auf konkrete Vorgaben stößt man bei der Gesetzeslektüre auf § 3 ArbSchG, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes in Bezug auf die Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu treffen. Aufgrund der Verordnungsermächtigung nach § 18 ArbSchG gibt es Konkretisierungen in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV).

Raumtemperatur muss »gesundheitlich zuträglich« sein

Dieses Regelungswerk dient nach § 1 ArbStättV der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Mitarbeiter und macht dem Arbeitgeber Vorgaben in Bezug auf das Einrichten und das Betreiben von Arbeitsstätten. Im Anhang zu § 3a ArbStättV – Ziffer 3.5 – findet sich die Vorgabe, dass in Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinenund Erste-Hilfe-Räumen grundsätzlich eine der Gesundheit zuträgliche Raumtemperatur bestehen muss. Um diesen Begriff mit Inhalt zu füllen, muss auf ein weiteres Regelungswerk zurückgegriffen werden: Die sogenannten Technischen Regeln für Arbeitsstätten »Raumtemperatur« (ASR A 3.5)1. Die ASR beschäftigt sich mit konkreten Anforderungen an Raumtemperaturen für Arbeitsstätten. Soweit die Regelungssystematik. Doch was regelt die ASR und was hat der Mitarbeiter davon?

ASR »Raumtemperatur« – in Betrieben überall anwendbar?

Die Arbeitsstättenregel »Raumtemperatur« gilt nach Ziffer 2 zunächst für alle Räumlichkeiten im Betrieb, an die grundsätzlich keine spezifischen klimatischen Anforderungen gestellt werden. Ausgenommen sind damit beispielsweise Kühllager oder Kühlhäuser. Da dort durchgehend Minustemperaturen herrschen, unterliegen diese Räume speziellen Anforderungen, wie sie in Ziffer 2 benannt werden. Es ist jedoch strikt zu unterscheiden zwischen Räumen, die durchweg extremen Temperaturen ausgesetzt sind (so Kühlhäuser) und Räumen, in denen es zeitweilig zu klimatischen Schwankungen kommen kann. So fallen etwa Backstuben oder Restaurantküchen unter den Anwendungsbereich der ASR A 3.5, obwohl auch dort die Mitarbeiter teilweise hohe Temperaturen ertragen müssen. Inhaltlich beschäftigt sich die ASR A 3.5 mit Höchsttemperaturen, die zum Wohle der Mitarbeiter am Arbeitsplatz nicht überschritten werden dürfen.

Höchsttemperatur Stufe I: +26 °C

Ziffer 4.2 der ASR A 3.5 regelt, dass in Arbeits- und Pausenräumen die Lufttemperatur +26 °C Vorherige Seite25Nachfolgende Seitenicht überschreiten soll. Es liegt der Schluss nahe, dass es sich bei Temperaturen bis zu +26 °C noch um solche handelt, die der Gesundheit zuträglich sind. Wird die +26 °C Grenze überschritten, soll der Arbeitgeber zunächst mit baulichen Maßnahmen für Abkühlung sorgen. Fenster und Glaswände sind beispielsweise mit Sonnenschutzsystemen auszustatten, um so eine Erhöhung der Temperatur durch Sonneneinstrahlung zu vermeiden. Als Sonnenschutz können außerdem Vordächer, Balkone oder Bepflanzungen dienen.

Weitergehende Maßnahmen muss der Arbeitgeber nur dann ergreifen, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung bei über +26 °C zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann.

Höchsttemperatur Stufe II: +30 °C

Neben den vorgenannten +26 °C sieht die ASR A 3.5 eine weitere Grenze vor: +30 °C. Liegt die Temperatur im Raum über diesem Wert, sind nach Ziffer 4.4 Maßnahmen zu ergreifen, die die hitzebedingte Belastung der Mitarbeiter reduzieren. Ist die +30 °C Grenze im Büro einmal erreicht, reichen Sonnenschutzsysteme und ähnliche Vorrichtungen regelmäßig nicht mehr aus, um den Mitarbeitern den gewünschten Kühlungseffekt zu gewähren.

Beispiele Diese Möglichkeit besteht, wenn:

  • schwere körperliche Arbeit zu verrichten ist
  • besondere Arbeits- oder Schutzbekleidung getragen werden muss, die die Wärmeabgabe stark behindert oder
  • hinsichtlich erhöhter Lufttemperatur gesundheitlich Vorbelastete und besonders schutzbedürftige Mitarbeiter im Raum sind, beispielsweise Jugendliche, Ältere, Schwangere oder stillende Mütter

Höchsttemperatur Stufe III: +35 °C

Wird schließlich eine Raumlufttemperatur von +35 °C überschritten, soll nur noch dann in diesem Raum gearbeitet werden, wenn der Arbeitgeber technische Einrichtungen, beispielsweise Luftduschen oder Wasserschleier, installiert oder Entwärmungsphasen vorsieht. Die Berufsgenossenschaftliche Information (BGI) zu Hitzearbeit2 empfiehlt bei Raumtemperaturen bis +45 °C beispielsweise Entwärmungsphasen von jeweils 15 Minuten pro Stunde.

To do Es sind weitere Maßnahmen erforderlich:

  • Lüftungseinrichtungen, beispielsweise Klimaanlage, Ventilatoren etc. müssen zur Verfügung gestellt werden
  • Lüften in den frühen Morgenstunden
  • Nachtauskühlung
  • Reduzierung arbeitsplatzbezogener thermischer Lasten, beispielsweise elektrische Geräte nur bei Bedarf betreiben
  • Nutzung von Gleitzeitregelungen zur Verlagerung der Arbeitszeit, beispielsweise Vermeidung von Arbeit während der Mittagshitze
  • Lockerung der Bekleidungsregelungen
  • Bereitstellen kostenloser Erfrischungsgetränke

Grundsätzlich gilt: Kein Recht auf hitzefrei

Selbst bei Temperaturen über +35 °C besteht kein automatisches Recht, den Arbeitsplatz zu verlassen. Hitzefrei kann es erst dann heißen, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen zur Milderung der Hitze verweigert.

Verpflichtung des Arbeitgebers?

Obgleich die meisten Arbeitgeber erfahrungsgemäß bei starker Hitze Maßnahmen nach Ziffer 4.4 ASR A 3.5 ergreifen, die bei den Mitarbeitern für Abkühlung sorgen, besteht für den Arbeitgeber aufgrund der Arbeitsstättenregel keine Verpflichtung, dies zu tun. Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten stellen lediglich eine Empfehlung dar. Im Ergebnis hat der Arbeitgeber nach den Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes gleichwohl dafür Sorge zu tragen, dass die Gesundheit der Mitarbeiter aufgrund der erhöhten Temperaturen nicht gefährdet wird.

Gefährdungsbeurteilung

Welche Maßnahmen im Einzelnen zu ergreifen sind, ist jeweils anhand einer im Betrieb durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung zu entscheiden. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbStättV in Verbindung mit § 5 ArbSchG ist herauszufinden, ob Arbeitnehmer am Arbeitsplatz potenziell gefährdet sind. Eine Gefährdung kann sich beispielsweise ergeben durch:


  • die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes (zum Beispiel wenn der Arbeitgeber keine vorbeugenden Maßnahmen gegen Sonneneinstrahlung trifft)
  • physikalische, chemische und biologische Einwirkungen (zum Beispiel Hitze)
  • die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie durch den Umgang damit (zum Beispiel zu lange Tätigkeit an Hitze erzeugenden Gerätschaften)

Sind Gefährdungen am Arbeitsplatz wahrscheinlich, müssen die Ursachen ermittelt werden. Dann müssen Maßnahmen festgelegt werden, um Gefährdungen zu verhindern.

Wichtig:

Die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz unterliegt der zwingenden Mitbestimmung. Hierzu gehört auch die Mitgestaltung der Art und Weise der Gefährdungsbeurteilung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Besteht objektiv eine gesetzliche Handlungspflicht und werden wegen fehlender Vorgaben betriebliche Regelungen verlangt, um das Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen, greift das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ein. Werden Gefährdungsbeurteilungen vorgenommen, ohne dass der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte wahrnehmen konnte, stellt dies eine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers dar.

Mitbestimmungsrechte aktiv einfordern

Da es sich bei der Auswahl der geeigneten Mittel, Hitzeerscheinungen der Mitarbeiter möglichst effektiv vorzubeugen, um eine zwingend mitbestimmungspflichtige Maßnahme betreffend den Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG handelt, hat der Betriebsrat weitreichende Mitwirkungsmöglichkeiten.

Darüber hinaus ist der Betriebsrat nach § 89 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dazu verpflichtet, sich für die Umsetzung der Vorschriften über den Arbeitsschutz einzusetzen. Dies bedeutet: Betriebsräte können stets auf den Abschluss einer Betriebsvereinbarung »Arbeiten bei Hitze« hinwirken, die aus Sicht des Gremiums den erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter gewährleistet (siehe zu den erforderlichen Eckpunkten einer Betriebsvereinbarung den nachfolgenden Beitrag). Sollte sich der Arbeitgeber dennoch nicht dazu veranlasst sehen, Verhandlungen mit dem Betriebsrat aufzunehmen, kann sich der Betriebsrat auf sein Initiativrecht berufen und den Arbeitgeber hierzu auffordern. Sollte keine Einigung zwischen den Betriebsparteien zustande kommen, ist die Einigungsstelle anzurufen, die sodann eine Entscheidung treffen muss.

Die Autoren:

 

Marc-Oliver Schulze,

Fachanwalt für Arbeitsrecht, AfA Rechtsanwälte, Nürnberg.

 

 

www.afa-anwalt.de

 

Eva Ratzesberger,

Rechtsanwältin, AfA Rechtsanwälte, Nürnberg.

www.afa-anwalt.de

 

Quelle:

»Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) 5/2016, S. 24 - 26.

 

 

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