Änderungskündigung

Sie können bleiben – für weniger Geld

02. September 2016
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Quelle: © Jeanette Dietl / Foto Dollar Club

Verträge sind einzuhalten – auch Arbeitsverträge. In angespannten wirtschaftlichen Situationen suchen Arbeitgeber aber oft nach Auswegen, um die Arbeitsleistung billiger einzukaufen. Hier kommt die Änderungskündigung ins Spiel. Aber unter welchen Bedingungen kann ein Arbeitgeber Arbeitsverträge ändern? Unsere Autorin Regina Steiner erklärt in der »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) 9/2016, was bei einer Änderungskündigung zu tun ist.

Wer kennt es nicht: Vor vielen Jahren wurde ein Arbeitsvertrag geschlossen. Hier wurde vereinbart, dass das Entgelt nach einem bestimmten Tarifvertrag bezahlt wird und die wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden bei einer Vollzeitbeschäftigung beträgt. Nun bedauert der Arbeitgeber den Vertragsabschluss - nicht etwa, weil er mit dem Mitarbeiter nicht zufrieden ist - er hätte die Arbeitsleistung nur gerne billiger eingekauft. Von Tarifverträgen will er nichts mehr wissen und Arbeitszeiten von 42 Stunden wecken bei ihm Begehrlichkeiten. Möglicherweise zwingt ihn auch tatsächlich die wirtschaftliche Situation, Sparmaßnahme zu ergreifen, um den Betrieb gewinnbringend fortzuführen.

Änderung des Arbeitsvertrags

Arbeitgeber sind an den einmal abgeschlossenen Arbeitsvertrag gebunden. Soweit der Arbeitsvertrag nichts Abschließendes regelt, kann der Arbeitgeber einseitig Inhalt, Ort und Zeitpunkt der Arbeitsleistung (§ 106 Gewerbeordnung) bestimmen. Stößt er jedoch an die Grenzen des Direktionsrechts, hat er die Wahl, den Arbeitnehmer von der Notwendigkeit der Vertragsänderung zu überzeugen oder zur Änderungskündigung zu greifen.

Teilkündigung nicht zulässig

Eine Teilkündigung einzelner Vertragsklauseln ist nicht zulässig, denn das würde den Kündigungsschutz der Beschäftigten unterlaufen. Verträge können jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden, aber keine Vertragsseite muss sich auf ein entsprechendes Angebot einlassen. Vertragsänderungen sind stets freiwillig. Lässt sich der Beschäftigte darauf ein und unterzeichnet die neuen Bedingungen, gibt es kein Zurück. Die Motive, die zur Unterschrift bewogen haben, spielen keine Rolle.

  • Tipp: Werden Beschäftigte zum Gespräch ins Personalbüro gebeten, sollten sie erst mal nichts unterschreiben und auch keine Zusagen machen. Oft ist es hilfreich, ein Betriebsratsmitglied zum Gespräch hinzuzuziehen. Eine Vertragsänderung ist niemals so eilig, dass sie sofort geschehen muss. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Beschäftigte den Vertragstext mitnehmen kann und ausreichend Zeit bekommt, sich damit auseinander zu setzen.

Keine Angst vor der Änderungskündigung

Der Arbeitgeber kann aber zur Änderungskündigung greifen, um den bisherigen Vertrag zu verändern. Die Änderungskündigung besteht aus zwei Teilen: Das bisherige Arbeitsverhältnis wird gekündigt und gleichzeitig erhält der Beschäftigte ein Angebot, unter welchen Bedingungen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden soll. Dabei müssen die neuen Vertragsbedingungen so angeboten werden, dass der Arbeitnehmer, wenn er denn möchte, sie mit einem schlichten »einverstanden« annehmen kann. Dem Beschäftigten muss klar sein, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen.

Kündigungsgrund muss vorliegen

Der Arbeitgeber kann eine wirksame Änderungskündigung nur aussprechen, wenn er einen Kündigungsgrund dafür hat. Diese Gründe finden sich im Kündigungsschutzgesetz. Eine Änderungskündigung ist danach nur möglich, wenn verhaltens-, personen- und betriebsbedingte Gründe vorliegen (§ 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz).

Was tun bei Änderungskündigung?

Nach Erhalt der Änderungskündigung hat der Beschäftigte nun drei Möglichkeiten zu reagieren:


  • Nimmt der Beschäftigte das Angebot an, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzuführen, dann besteht das Arbeitsverhältnis zu diesen Bedingungen fort. Streitig ist, innerhalb welcher Frist das Angebot angenommen werden muss. Nach Ablauf der Kündigungsfrist kann es nicht mehr angenommen werden. Dem Arbeitnehmer muss auch eine lange Bedenkzeit eingeräumt werden. Der Arbeitgeber kann dafür eine Frist setzen, diese darf aber keinesfalls kürzer als drei Wochen sein.
  • Lehnt der Beschäftigte das Angebot ab oder schweigt, dann endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist. Er kann nun innerhalb von drei Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens Klage vor dem Arbeitsgericht einlegen und überprüfen lassen, ob die Beendigungskündigung gerechtfertigt ist.
  • Der Beschäftigte kann auch innerhalb von drei Wochen die Kündigung unter Vorbehalt annehmen und innerhalb dieser Frist Kündigungsschutzklage erheben (§ 2 KSchG). Das Arbeitsverhältnis wird dann nach Ablauf der Kündigungsfrist unter den geänderten Bedingungen fortgesetzt, bis das Arbeitsgericht über die soziale Rechtfertigung der geänderten Arbeitsbedingungen entschieden hat. Ist die Klage erfolgreich, wird das Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt, ansonsten verbleibt es bei den geänderten Bedingungen.

Eine Übersicht über die aktuellsten obergerichtlichen Entscheidungen zur Änderungskündigungen und wie Betriebsräte, sich vor Änderungskündigungen schützen können, erfahren Sie in dem Beitrag von Regina Steiner, »Arbeitsrecht im Betrieb« 9/2016 auf Seite 10-16.

© bund-verlag.de (EMS)

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