Überwachung

Verdeckte Überwachung ist zulässig

17. Oktober 2017
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Quelle: © serkat / Foto Dollar Club

Eine verdeckte Überwachung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber kann zulässig sein. Erforderlich ist der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung. Der Verdacht muss konkret sein und sich auf Tatsachen gründen.


In diesem Verfahren ging es um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung. Der Arbeitnehmer war seit über 30 Jahren bei dem Unternehmen im Stanzformenbau beschäftigt. Seit Anfang 2015 war er arbeitsunfähig erkrankt.

Mitte 2015 erfuhr der Arbeitgeber von einer Firma, die die Söhne des Arbeitnehmers betrieben und die auch Stanzformen herstellte. Die Söhne hatten per E-Mail an eine Kundin des Arbeitgebers ihre eigenen Stanzformen beworben.

Konkurrenztätigkeit und vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit

Der Arbeitgeber beauftragte daraufhin einen Detektiv mit der Überwachung des Arbeitnehmers. Tatsächlich konnte der Detektiv feststellen, dass der Arbeitnehmer während seiner Krankschreibung bei einer anderen Firma arbeitete. Ob das die Firma der Söhne war, blieb offen, ist aber letztlich auch nicht entscheidend.

Der Arbeitgeber gab seinem Beschäftigten Gelegenheit zur Stellungnahme. Er warf ihm wettbewerbswidrige Konkurrenztätigkeit und das Vortäuschen einer Erkrankung vor. Der Kläger äußerte sich nicht. Darauf folgte die Kündigung.

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Der Arbeitgeber machte im Wege der Widerklage den Ersatz der Detektivkosten geltend und verlangte Auskunft über die Kunden der Konkurrenzfirma.

BAG hebt Entscheidung des LAG auf

Nachdem das Landesarbeitsgericht (LAG) der Klage des Arbeitnehmers zunächst stattgegeben hatte, war die dagegen gerichtete Revision erfolgreich. Die Entscheidung wurde aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Beide Vorwürfe gegenüber dem Arbeitnehmer – Konkurrenztätigkeit im laufenden Arbeitsverhältnis einerseits und das Erschleichen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung andererseits – sind geeignet, um eine fristlose Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich zu rechtfertigen. LAG und Bundesarbeitsgericht (BAG) waren hierzu derselben Auffassung.

Es handelt sich dabei jeweils um eine schwere Pflichtverletzung. Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Es ist ihm ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen.

Die Auffassung der Gerichte gingen aber darüber auseinander, ob die Beobachtungen des Detektivs im Rahmen der Beweiserhebung berücksichtigt werden durften.

Eine solche Beweiserhebung verstoße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), so das LAG. Nach § 32 BDSG ist eine Datenerhebung, -nutzung und –verarbeitung im Arbeitsverhältnis nur in bestimmten Grenzen zulässig.

Konkret gegen einen Beschäftigten gerichtete und nicht nur allgemein im Betrieb ausgeübte Überwachungsmaßnahmen seien nur bei Verdacht einer Straftat im Beschäftigungsverhältnis zulässig. Das ergäbe sich aus § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Daran fehle es hier.

Ein finanzieller Betrug käme nicht in Betracht, da der Arbeitnehmer keine Entgeltfortzahlung mehr beziehe. Eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit sei keine Straftat. Das LAG ging insofern von einer Sperrwirkung des Satz 2 gegenüber § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aus. Das bedeutet: In dem Fall wäre Satz 1 nicht anwendbar.

Überwachung auch ohne Verdacht einer Straftat

Das BAG hat diese Rechtsauffassung jedoch verworfen. Selbst wenn keine Straftat im Beschäftigungsverhältnis vorliege, kann daher eine Überwachungsmaßnahme durch den Arbeitgeber nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gerechtfertigt sein.

Die vom LAG angenommene Sperrwirkung bestehe nicht, sie wäre auch mit EU-Recht nicht vereinbar. Bei der Aufdeckung sonstiger Pflichtverletzungen, die keine Straftat darstellten, sei ein Rückgriff auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG möglich.

Die verdeckte Überwachung ist allerdings nur unter vergleichbaren Voraussetzungen zulässig wie zur Aufdeckung einer Straftat. Die Rechtsprechungsgrundsätze zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme sind in diesem Fall als Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Im Klartext bedeutet das: Es muss immer geprüft werden, ob ein solcher Eingriff noch angemessen oder schon überzogen ist. Da nach den bisherigen Feststellungen des LAG bislang nicht sicher war, ob die Maßnahme verhältnismäßig war, wurde die Sache zurückverwiesen. Das LAG muss nun unter Berücksichtigung der BAG-Rechtsprechung neu entscheiden.

Praxisbedeutung

Nach der BAG - Entscheidung kann ein Arbeitgeber nun auch unterhalb der Schwelle zur Straftat bei dem Verdacht schwerwiegender Pflichtverletzungen durch den Arbeitnehmer zu Überwachungsmaßnahmen greifen.

Wichtig bleibt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es müssen konkrete Tatsachen vorliegen, die den Schluss auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorliegen. Überwachung ins Blaue hinein wäre unzulässig. Es darf auch keine andere, genauso effektive Maßnahme verfügbar sein, mit der weniger stark in die Rechte des Arbeitnehmers eingegriffen würde. Der Arbeitgeber muss das mildeste Mittel wählen.

Dass die Anforderungen an konkrete Verdachtsmomente durchaus ernst zu nehmen sind, zeigt eine Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz 27.4.2017 - 5 Sa 449/16). In diesem Fall hatte der Arbeitgeber den Betriebsratsvorsitzenden wegen angeblicher Konkurrenztätigkeit während der Arbeitszeit durch einen Detektiv beschatten lassen.

Es gab aber keine konkreten Tatsachen, auf die sich der Verdacht stützen ließ. Das LAG verurteilte den Arbeitgeber zu einer Entschädigung über 10.000 Euro wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

Überwachungsmaßnahmen im Betrieb, etwa die Einrichtung einer Videoüberwachung, sind nach den Vorgaben des BetrVG mitbestimmungspflichtig. Anders allerdings der Einsatz eines Detektives zur Überprüfung einzelner Beschäftigter (BAG 26.3.1991 - 1 ABR 26/90).

Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH

© bund-verlag.de

Quelle

BAG (29.06.2017)
Aktenzeichen 2 AZR 597/16
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