Bahnstreik

»Auch ein lästiger Streik ist Grundrechtsausübung«

25. Januar 2024 GDL-Streik
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Quelle: © Leonid Andronov / Foto Dollar Club

Der Streik der GDL sorgt teilweise für Unmut. Einige Politiker plädieren daher für eine Beschränkung des Streikrechts, jedoch nur für Beschäftigte in der kritischen Infrastruktur, wie z. B. bei der Bahn. Wir haben Prof. Dr. Wolfgang Däubler zu den rechtlichen Folgen gefragt.

1. Inwiefern sind die Streikmaßnahmen der GdL durch das Recht auf Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit gedeckt? 

Beim GdL-Streik geht es um Entgelt und Arbeitszeit – dies sind tariflich regelbare Gegenstände. Die GdL bewegt sich im Rahmen der Tarifautonomie. Dies hat im übrigen auch vor der letzten Streikrunde das LAG Hessen bestätigt; der Antrag der Bahn, den Streik wegen Unverhältnismäßigkeit zu untersagen, ist zurückgewiesen worden. 

2. Es kommt (von Seiten der CDU/CSU) vermehrt die Forderung auf, Streiks im Rahmen der sog. Kritischen Infrastruktur (z.B. der Bahn) einzuschränken. Was halten Sie davon? 

Immer wenn ein Streik bei der Bahn oder im öffentlichen Dienst stattfindet, wird diese Forderung erhoben. Sie ist bisher nie realisiert worden. Ersichtlich haben wir die Streiks alle unbeschadet überstanden. Deshalb gibt es auch dieses Mal keinen Anlass, nach einer Einschränkung zu rufen. Beim Streik wird außerdem ein Grundrecht ausgeübt. Bevor man ein Grundrecht einschränkt, müssen besonders wichtige Rechtsgüter gefährdet sein. Dies ist nicht erkennbar, weil ja ein Mindestniveau an Zugverbindungen weiter besteht. Daher: Auch ein lästiger Streik ist Grundrechtsausübung. 

3. Sollte es ein explizites Streikgesetz geben, das regelt, wann Streiks zulässig sind und wann nicht? Oder reicht das aktuelle Richterrecht?

Wenn unser heutiger Gesetzgeber hier aktiv würde, käme höchstens ein recht unklarer Kompromiss heraus. Er hat im Arbeitsrecht bisher kaum etwas zustande gebracht. Auch wenn dies anders wäre, bestünde die Gefahr, dass man auf die Schnelle zu weit in das Streikrecht eingreift. Im Prinzip kommen wir mit dem geltenden Richterrecht ganz gut hin. 

4. Können Unternehmen oder Betroffene Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn sie aufgrund des Streiks finanzielle Verluste erleiden? 

Nein, ein rechtmäßiger Streik verpflichtet die Gewerkschaft nicht zum Schadensersatz. Es ist denkbar, dass die eine oder andere Warenlieferung zu spät ankommt. Das ist eine Frage, die die jeweiligen Vertragspartner zu klären haben. In der Regel trifft den Lieferanten kein Verschulden, weshalb auch ein Schadensersatzanspruch ausscheidet. 

5. Welche Pflichten haben Betriebs- und Personalräte während eines Streiks? Dürfte ein Betriebsrat die Betriebsrats-E-Mail-Adresse benutzen, um Streikaufrufe zu verschicken usw.?

Der Betriebs- und der Personalrat darf sich als Gremium nicht gewerkschaftlich betätigen und deshalb auch nicht zum Streik aufrufen. Man darf also auch nicht den E-Mail-Anschluss für Streikaufrufe verwenden. Das einzelne Betriebsrats- oder Personalratsmitglied ist aber in seiner gewerkschaftlichen Betätigung völlig frei. Es kann sogar Mitglied der Streikleitung sein. Es ist oft so, dass gerade Betriebsratsmitglieder wichtige Streikinitiatoren sind. 

© bund-verlag.de (fro)

Im Gespräch mit

Daeubler

Wolfgang Däubler

Dr. jur., Professor i. R. für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht, Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen, wissenschaftlicher Berater der Rechtsanwaltskanzlei Schwegler
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