BEM

Kein Anspruch auf Anwalt beim BEM

05. August 2020
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Quelle: © Doris Heinrichs / Foto Dollar Club

Ein Arbeitnehmer hat im Rahmen seines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) keinen Anspruch darauf, dass sein Rechtsanwalt am BEM-Gespräch teilnimmt. Auch den Vertreter des Integrationsamts kann er nicht selbst bestimmen – so das Landesarbeitsgericht Köln.

Darum geht es

Die 1956 geborene Arbeitnehmerin ist Angestellte einer Sparkasse und schwerbehindert. Sie war zuletzt als Kundenberaterin eingesetzt. Die Arbeitnehmerin war unter anderem wegen einer Wirbelsäulenerkrankung gesundheitlich angeschlagen und hatte hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten aufzuweisen.

Im Jahr 2018 fand ein erstes BEM-Gespräch statt, an dem allerdings weder die Schwerbehindertenvertretung (SBV) noch das Integrationsamt teilnahmen. In Folge des Gesprächs erkrankte die Arbeitnehmerin erneut.

Sie gab an, der Personalleiter habe das Gespräch mit dem Ziel geführt, sie entweder ins Kreditarchiv zu versetzen oder zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu drängen. Dies habe bei ihr eine schwere Depression ausgelöst. Damit habe die Sparkasse gegen ihre Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsvertrag und die Förderpflichten aus § 167 Abs. 2 SGB IX verstoßen.

Die Arbeitnehmerin verlangte Schadenersatz für entgangenes Gehalt und ein neues BEM-Verfahren, an dem auch ihr Rechtsanwalt, die SBV und die von ihr gewünschte Vertreterin des Integrationsamts teilnehmen sollen.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Bonn verurteilte die Arbeitgeberin, mit der Klägerin ein erneutes BEM durchzuführen, an dem auch das Integrationsamt und die SBV teilnehmen. Die weiteren Forderungen wies das Gericht ab.

Das sagt das Gericht

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln bestätigte das Urteil aus Bonn. Die Arbeitgeberin muss ein erneutes BEM durchführen, an dem auch die SBV und ein vom Integrationsamt bestimmter Vertreter teilnehmen.

Allerdings hat die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf Teilnahme ihres Rechtsanwalts an den BEM-Gesprächen. Wer an diesen Gesprächen teilnehmen darf, sei in § 167 Abs. 2 SGB IX schon detailliert geregelt: Neben dem betroffenen Beschäftigten selbst sind dies

  • die Vertreter des Arbeitgebers,
  • der zuständige Betriebs- oder Personalrat und
  • bei schwerbehinderten Menschen zusätzlich die SBV und das Integrationsamt
  • und bei Bedarf der Werks- oder Betriebsarzt.

Als einzigen externen Teilnehmer sehe das Gesetz bei schwerbehinderten Menschen das Integrationsamt vor, um die Beteiligten über mögliche staatliche Hilfen beraten zu können (§ 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX).

Weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer dürften externe Rechtanwälte oder Verbandsvertreter hinzuziehen. Die Belange des Arbeitnehmers würden bereits durch die zwingende Beteiligung des Betriebs- oder Personalrats, und bei schwerbehinderten Menschen zusätzlich durch die SBV gewahrt.

Ebenso wenig kann die Arbeitnehmerin verlangen, dass eine bestimmte Vertreterin des Integrationsamts am Gespräch teilnimmt. Denn das Integrationsamt ist eine staatliche Behörde, die selbständig und eigenverantwortlich entscheidet, wer sie in bestimmten Verfahren nach außen vertritt.

Das Gericht sieht auch im Verhalten des Personalleiters im BEM-Gespräch 2018 keine Anhaltspunkte für einen Schadenersatzanspruch. Zwar habe das BEM mangels Teilnahme der SBV nicht den gesetzlichen Vorgaben genügt. Die Vorschläge des Personalleiters, die Klägerin mit Rücksicht auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen ins Kreditarchiv zu versetzen oder sich wegen einer Ruhestandsregelung beraten zu lassen, seien aber an sich weder vertragswidrig noch ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht.

Hinweis für die Praxis

Obwohl die Klägerin ihre Schadenersatzforderung und die Teilnahme ihres Anwalts am BEM nicht durchsetzen konnte, ist das Urteil wichtig. Das LAG Köln macht in seinem Urteil klar, dass der Arbeitnehmer beim BEM »Herr des Verfahrens« ist und ein ordnungsgemäßes BEM mit den im Gesetz vorgeschriebenen Beteiligten einfordern kann.  

Das Gericht hebt sogar hervor, dass ein Arbeitnehmer, wenn im Laufe eines BEM arbeitsrechtlich relevante Fragen angesprochen werden, jederzeit eine Unterbrechung der Gespräche verlangen kann, um sich extern anwaltlich beraten zu lassen (vgl. Rn. 48 des Urteils).

Personalrat und SBV sollten im BEM-Gespräch mit darauf achten, dass der Arbeitgeber keinen unzulässigen Druck ausübt und einen Mitarbeiter etwa dazu drängt, einer Versetzung oder Aufhebung zuzustimmen – zumal die Versetzung als personelle Maßnahme ja auch der Mitbestimmung unterliegt.

Aufhebungsverträge als solche unterliegen nicht der Mitbestimmung, allerdings können Personalrat und SBV dem Beschäftigten empfehlen, ein solches Angebot genau prüfen zu lassen - Zeitdruck darf dabei nicht aufkommen.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

LAG Köln (23.01.2020)
Aktenzeichen 7 Sa 471/19
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